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Aethiopien

Äthiopien    

Ein Beitrag zur Landeskunde in Politischer Bildung    

Günther Dichatschek

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Äthiopien   
Ein Beitrag zur Landeskunde in Politischer Bildung   
Vorbemerkung   
1 Zur Situation des Landes   
2 Konfliktursachen   
3 Ansätze einer Konfliktbewältigung   
Literaturverzeichnis   
IT-Autorenbeiträge   
Zum Autor   

Vorbemerkung    

Äthiopien als Land in Afrika mit spezifischen Merkmalen ist von besonderem Interesse für eine Landeskunde in Politischer Bildung (vgl. DE WAAL 2015; DICHATSCHEK 2017 a,b; VÖLKEL 2018; GERAND 2019).

Wirtschaftswachstum wird über alles gestellt, auch über die Anliegen lokaler Bevölkerungsgruppen und verarmter Kleinbauern.

Kritiker und Oppositionelle gelten als Verräter.

In Äthiopien leben rund 80 ethnische Gruppen. Zunehmend kommt es zu ethnischen Konflikten und gewalttätigen religiösen Auseinandersetzungen.

Das Land hat zwei Gesichter(vgl. VÖLKEL 2018, 1).

  • Die Wirtschaft boomt mit hohen Wachstumsraten, Prestigeprojekten und internationalen Investitionen.
  • Millionen Einwohner leiden unter Armut, Arbeitslosigkeit und sozialer Exklusion. Nach Jahren der Dürre steigen die Zahlen der unterernährten Menschen, im August 2017 waren es 8,5 Millionen der mehr als 100 Millionen Äthiopier. Im "Human Development Index" nimmt das Land Rang 174 von 188 aufgelisteten Ländern((vgl. UN-Development Program 2016).

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen des Autors sind die

  • Absolvierung der Universitätslehrgänge Politische Bildung und Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg,
  • die Lehrtätigkeit im Lehramt Geschichte-Sozialkunde-Politische Bildung in "Didaktik der Politischen Bildung"/ Universität Salzburg und
  • die Lehrtätigkeit im Kirchlichen Lehrgang der Superintendenz Salzburg und Tirol/ Basisausbildung für Lehrende im Fach Religion an der APS/"Pädagogische Impulse in Unterricht und Lehre" und "Interkulturalität" .
1 Zur Situation des Landes    

Die regierende Koalition der "Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front"(EPRDF) übt seit 1991 eine fast diktatorische Macht aus. Die Opposition besitzt keinen Sitz seit 2015 im Parlament, ebenso in den Regionalparlamenten. Die Koalition wird von der "Tigrinischen Volksbefreiungsfront"(TPLF) dominiert.

  • Die Tigriner sind überwiegend äthiopisch-orthodoxe Christen.
  • Auf Grund der massiven Modernisierung und Vorherrschaft einer ethnischen und religiösen Gruppe kommt es zu sozialen, politischen, ethnischen und religiösen Konflikten.
Im November 2015 kam es zu Protesten und Aufständen auf Grund der Entscheidung der Regierung, Bauland für eine Erweiterung der Hauptstadt Addis Abeba der Mehrheitsvolksgruppe der Oromos ohne ausreichende Kompensation mit wertvollen Wäldern zweckentfremdend zu verwenden. Mit brutaler Gewalt gingen die Sicherheitsorgane vor, im Herbst 2016 wurde der Ausnahmezustand verhängt, im August 2017 wieder aufgehoben. Willkür, Morde und Folter waren an der Tagesordnung, mehr als 11 000 Menschen wurden laut AI verhaftet. Im Dezember 2017 und Jänner 2018 kam es erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.

Seit 2011 verstärkten sich Proteste äthiopischer Muslime, Würdenträger wurden zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt.

Die Religionszugehörigkeit wird zunehmend zu einem Problem. Einerseits verweisen die dominierenden tigrinischen und amharischen Eliten auf die Tradition und Bedeutung des Landes als Wiege des Christentums, andererseits kommt es zu einem repressiven Vorgehen der Regierung gegen Muslime und zu religiöser Radikalisierung, etwa zu Brandanschlägen im März 2011 auf fast 50 Kirchen in der Region um Jima.

Ethnische Konflikte betreffen hauptsächlich sesshafte Bauern und wandernde Viehzüchter im Streit um Weideland und Wasser, etwa in Kämpfen zwischen Oromos und Somali. Im Sommer 2017 eskalierte der Streit in den angrenzenden Gebieten.

Konfliktzonen gibt es in den Grenzregionen zum Südsudan, Kenia und Somalia, wobei hier die "Ogaden National Liberation Front/ONLF" mit Anschlägen auf Erdölförderanlagen und Militäreinrichtungen für eine Unabhängigkeit der Somali-Region kämpft. Massive Konflikte gibt es in der Grenzregion zum Südsudan mit Übergriffen verfeindeter Gruppen aus dem Nachbarland(vgl. VÖLKEL 2018, 2).

2 Konfliktursachen    

Da das Land rund 80 verschiedene Ethnien aufweist, gibt es nur in Ansätzen eine nationale Identität. In der Regierung dominiert die Gruppe der Tigriner(6,2 Prozent der Gesamtbevölkerung) gegenüber den Oromos(32,1 Prozent) und Amharen(30,1 Prozent), sich wirtschaftlich benachteiligt fühlen. Überdeckt dadurch sind die Rivalitäten zwischen den Oromos und Amharen. Die Somali fühlen sich mit der Bevölkerung Somalis eng verbunden. Die nomadischen Afar gelten als auf Grund der Verbindung mit Eritrea als Hauptfeind Äthiopiens(vgl. vor 25 Jahren: Eritra - ein neuer Staat in Ostafrika).

Der Klimawandel verschärft die Situation durch Dürre und damit Hungersnöte, die wirtschaftlich wichtige Kaffeeproduktion leidet unter der Klimaänderung(vgl. PFITZNER 2011).

Der Verkauf von großen Landflächen an internationale Investoren, die landlosen Arbeiter mit ihren Hungerlöhnen und in der Folge die Landflucht verschärfen die Situation(vgl. GERAND 2019, 8). Neu errichtete Großdämme; besonders am Blauen Nil; verursachen eine große Binnenwanderung.

  • Gesprochen wird von einer "Entwicklungsdiktatur" als Hauptursache innerstaatlicher Probleme des Landes.
  • Flankierende sozialpolitisch Maßnahmen fehlen(vgl. die Bedeutung des sozialen Friedens für ein Land).
3 Ansätze einer Konfliktbewältigung    

Seit 1995 verfolgt die Regierung das Konzept eines "ethnischen Föderalismus" mit einer Verlagerung der Kompetenzen in ethnisch geprägte Provinzen(vgl. VÖLKEL 2018, 3). Zwar wurden Bürgerkriege damit verringert, allerdings verstärken ethnische Siedlungsräume mit ihren Grenzen und Verwaltungen ethnische Unterschiede und mögliche Konflikte. Es entstehen daraus steigende Flüchtlingszahlen und wachsende Armut.

Entsprechende Konfliktlösungsmechanismen fehlen, Modernisierungsmaßnahmen gehen zumeist auf Kosten benachteiligter Bevölkerungsgruppen. Proteste und Angriffe ergeben sich gegen ausländische Investoren, die als Verursacher angesehen werden. Eine grundlegende Änderung der Regierungspolitik - trotz stärkerer Achtung der Menschenrechte seit 2012 - ist nicht zu vermerken.

Die Erfolge in der Wirtschaftspolitik mit jährlichen Wachstumsraten von 7 bis 10 Prozent überdecken die demokratischen Defizite. Politische Grundrechte sind eingeschränkt, ethnische Spannungen werden militärisch bekämpft.

Äthiopien ist geopolitisch ein Stabilisator am Horn von Afrika(vgl. De Waal 2015).

  • Entsprechend sind finanzielle und militärische Unterstützungsmaßnahmen des Westens vorhanden.
  • Internationale Investitionen, zunehmend aus China, wirken bislang kaum auf die vorhandenen Konfliktsituationen.
Literaturverzeichnis    

Angeführt sind jene Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden.


De Waal A.(2015): The real politics of the Horn of Africa: Money, war and the business of power, Cambridge

Dichatschek G.(2017a): Didaktik der Politischen Bildung. Theorie, Praxis und Handlungsfelder der Fachdidaktik der Politischen Bildung, Saarbrücken

Dichatschek G.(2017b): Interkulturalität. Ein Beitrag zur Theorie, Bildung und Handlungsfeldern im Kontext von Interkultureller Öffnung und Politischer Bildung, Saarbrücken

Gerand Chr.(2019): Salz und Rosen. Die Schattenseiten des äthiopischen Wirtschaftswunders, in: LE MONDE diplomatique, April 2019, 8

Pfitzner J.(2011): "Unser Kalender funktioniert nicht mehr!" Ernährungssicherung und Anpassung im Zeichen des Klimawandels: Ein Fallbeispiel von Agro-Pastoralisten in Südäthiopien, Berlin

Völkel J.Cl.(2018): Äthiopien - http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54578/aethiopien (18.4.2019)

IT-Autorenbeiträge    

Die Autorenbeiträge dienen der Ergänzung der Thematik.


Netzwerk gegen Gewalt - http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index:

Religion

Politische Bildung

Lehramt

Interkulturelle Kompetenz

Erwachsenenbildung

Zum Autor    

APS-Lehramt - VS-HS-PL(1970-1975-1976); zertifizierter Schüler- und Schulentwicklungsberater, Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol(1993-2002)

Absolvent des Instituts für Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/Doktorat?(1985), des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg - Klagenfurt/ MSc(2008), der Weiterbildungsakademie Österreich/Diplome(2010), des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg/Diplom(2012), des 4. Internen Lehrganges für Hochschuldidaktik/ Universität Salzburg/Zertifizierung(2016), des Online-Kurses "Digitale Werkzeuge für Erwachsenenbildner_innen"/ TUI Graz-CONEDU-Werde Digital at.-Bundesministerium für Bildung, Wien/Zertifizierung(2017), des Fernstudium Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium - Comenius-Institut Münster/Zertifzierung(2018)

Lehrbeauftragter am Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft/ Universität Wien - Berufspädagogik/Vorberufliche Bildung(1990/1991-2010/2011), am Fachbereich Geschichte/ Universität Salzburg/Lehramt Geschichte - Didaktik der Politischen Bildung(ab 2015/2016), am Kirchlichen Lehrgang der Superintendenz Salzburg und Tirol für die Basisausbildung für Lehrende im Fach Religion in der APS(ab 2019)

Lehrender/Kursleiter an den VHSn des Landes Salzburg Zell/See, Mittersill, Saalfelden und Stadt Salzburg(ab 2012), stv.Leiter/ Vorstandsmitglied des Evangelischen Bildungswerks in Tirol(2004-2009, ab 2017)

Aufnahme in die Liste der Sachverständigen für den Nationalen Qualifikationsrahmen/ Koordinierungsstelle für den NQR/Wien(2016)

 
© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 22. April 2019