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Helmut Leitner / Text Konvertierung

Grundwissen Religion 4

Aspekte religionspolitischer Konflikte und Friedensbemühungen im Kontext Politischer Bildung

Günther Dichatschek

Vorbemerkung

Im Hinblick der Bedeutung kulturell-religiöser Kompetenz im gesamtgesellschaftlichen Kontext Politischer Bildung erweitert die Studie nach den behandelten Themen in Buchpublikationen des Autors der Bereiche Religion und Demokratie, Religion - Macht - Politik, Basiswissen Religion, Diakonie, Ökumene, Rassismus, Evangelische Erwachsenenbildung und Religionspädagogik, aktuell das Verhältnis von Religion und politischen Konflikten und Friedensstiftung.

Ausgangspunkt ist die Absolvierung des Studiums Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck (1985), des Lehrganges Ökumene der Kardinal König - Akademie Wien (2006), der Universitätslehrgänge Politische Bildung/ Universität Salzburg - Klagenfurt (2008) und Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg (2012), des Internen Lehrganges Hochschuldidaktik/ Universität Salzburg (2016) und das Fernstudium Grundkurs Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium, Comenius - Institut Münster (2018).

Wesentlich ist die Auseinandersetzung mit der Fachliteratur (MÜLLER 1998/ 2003, SCHIEDER 2001, ARMSTRONG 2004, BROCKER 2004, RÖHRICH 2004, WALTHER 2004, HILDEBRANDT - BROCKER 2005, SANDER 2007, BROCKER - HILDEBRANDT 2008, JUERGENSMEYER 2009, HOCK 2011, POLLACK -ROSTA 2016).

1 Einleitung

Das Thema "Religion" galt lange in der "Politischen Bildung" als vernachlässigt und wird im Themenbereich "Interkulturelle Kompetenz" im Kontext kulturell-religiöser Kompetenz als Randthema behandelt.

1.1 Initiativen

Beispielhaft in Österreich und Deutschland sind im erwachsenpädagogischen und im außeruniversitären Bildungsbereich die folgenden Initiativen der letzten Jahre zu erwähnen.

1.2 Themenbereich Religionskonflikte - Weltpolitik

Das Interesse auch an Religion und der Bedeutung in der Politischen Bildung und Interkulturalität im Themenbereich "Glaubenskonflikte und Weltpolitik" (vgl. RÖHRICH 2004, HILDEBRANDT - BROCKER 2005) und einer "Globalisierung religiöser Gewalt" mit Friedenslösungen politischer Konflikte weist auf kulturell-religiöse Dimensionen und eine Notwendigkeit interdisziplinärer Aufarbeitung (vgl. BROCKER - HILDEBRANDT 2008, 9-11).

Für den aktuellen interdisziplinären Wissenschaftsdiskurs und Alltagsdiskussionen ist der Kontext von Religion und Krieg - Terror kennzeichnend.

  • Religiöse Konflikte begleiten Konfliktszenarien wie etwa in Bosnien - Herzegowina, im Kosovo, in Nigeria, Nordirland, Indonesien und im Sudan, in besonderer Komplexität im Nahen Osten.
  • Angesichts der Konfliktlandschaft in Lateinamerika etwa in Kolumbien, El Salvador, Guatemala und Nicaragua, in Afrika wie in Angola, Mozambique, im Sudan und in der Westsahara oder im Widerstand der Kurden in der Türkei wird es deutlich, dass in den Konflikten bis zu Bürgerkriegen auch nicht-religiöse Ursachen vorhanden sind.

1.3 Konfliktvermeidung und Friedensstiftung

Es bedarf auch der Beachtung von Konfliktvermeidung und Friedensstiftung mit Friedensvisionen von Religionen. Neben Fanatismus gibt es Versöhnung und Impulse zum Brückenbau über trennende Abgründe (vgl. MÜLLER 2003, 576). Die Frage des Beitrages zum aktiven Engagement zum Frieden durch Religion ist im Kontext Politischer Bildung sozialwissenschaftlich jenseits allgemein gehaltenen Reflexionen weitgehend Neuland (vgl. BROCKER - HILDEBRANDT 2008, 10-11). Die Studie möchte daher die Thematik breiter mit historischem und aktuellen Material im Verständnis historisch-politischer Bildung und Interkultureller Kompetenz einen Beitrag in Friedenserziehung zu kulturell-religiöser Kompetenz leisten (vgl. SANDER 2007, 347-378, 442-468) .

1.4 Gliederung der Studie

Aus Autorensicht ergibt sich als thematischer Zugang mit verschiedensten Aspekten und Perspektiven die folgende Gliederung der Studie.

  • Sozialwissenschaftlich - empirisch-quantitative Thematik
Ideengeschichte

Dialogfähigkeit der Religionen

Religiös-politische Konfliktlösungen

  • Fundamentalismus - Fanatismus
Religion und Politik in den USA

Evangelikalismus in Europa

Hilfestellungen

  • Gewalt in Religion
Religiöse Faktoren

Gegenstrategien

  • Friedenspädagogik
Friedenstheologische Aspekte

Aspekte Friedensethik

Friedensforschung

Gestaltungsethik

Ökosoziale Erziehung

Global Citizenship Education

Friedensprojekt Europa

Teil I - Sozialwissenschaftlich - empirisch-quantitative Thematik

2 Ideengeschichte

"Religionsdialoge" sind ein Phänomen in der Geschichte und Gegenwart, ihre Bedeutung wird im Sinne kulturell-religiöser Dimension skizziert.

2.1 Mittelalter

Das Christentum im "Frühmittelalter" mit seiner historisch-politischen Bedeutung setzt diese Form inhaltlicher Auseinandersetzung mit anderen Glaubenslehren und der Kritik an eigenen Strömungen ein. Damit werden christliche Glaubenssätze gegen Widerstände der paganen Umwelt verteidigt. Letztlich setzt sich der eigene Standpunkt durch (vgl. BROCKER - HILDEBRANDT 2008, 30).

Im "Spätmittelalter" handelt es sich um vermutlich fiktive Auseinandersetzungen zwischen Vertretern des Judentums, des Christentums (christliche Häresie) und der römischen "religio civilis".

Es kommt in der Folge zur Auseinandersetzung mit der Entstehung des Islams zu einer neuen Herausforderung. "Theologischer Inhalt der Dialoge war unter anderem die Frage, ob Jesus der Messias ist sowie die Lehre der Trinität - Überzeugungen, die weder Juden noch Moslems teilen" (BROCKER - HILDEBRANDT 2008, 12). Inhaltlich sind die Dialog weniger aufschlussreich, methodisch dagegen versuchten die Autoren angesichts der Bedrohung des eigenen Glaubens, mit rationalen Argumenten ihre Theologie als wahr darzustellen und zugleich die soziale und politische Ordnung zu verteidigen (vgl. ein Beginn "interreligiöser Hermeneutik" mit einem Hineindenken in andere Glaubensüberzeugungen und Lebensweisen/ aktuell interkulturell "Perspektivenwechsel").

Diese Form einer friedlichen Auseinandersetzung gilt als Alternative zur Kreuzzüge - Gewalt in der Bekämpfung des Islam. Immerhin wird die Position des Anderen ernst genommen, der durch vernünftige Argumente gewonnen werden soll (Vernunft vs. Gewalt).

2.2 Frühe Neuzeit

Es kommt zur grundlegenden Veränderung von Religionsdialogen. In der "Reformation" zerfällt die religiöse und politisch-soziale Einheit. Konkurrierende Wahrheitsansprüche im Christentum stehen einander gegenüber (Zwinglianer - Calvinisten - Lutheraner - Katholiken). In Religionskriegen wurde die Rivalität ausgetragen.

2.2.1 Religionsgespräch der Reformation

In dieser Situation erwies sich der Dialog als Mittel der Konfliktbewältigung und Friedensbewahrung (vgl. BROCKER - HILDEBRANDT 2008, 13, 71-84). Ein Religionsgespräch in der Reformationszeit, etwa in Hessen - Kassel wurde von Landgraf Moritz 1605 versucht, den Calvinismus in die Landesregion gegen den lutherischen Anteil einzuführen (Gefahr eines Bürgerkrieges). Mittels eines Diskurses durch die Visitatoren des Landesherren kam es am Ende im Fürstentums zu einem calvinistischen und lutherischen Teil. Mit der Betonung des Wortes in der Reformation und einen Dialog statt Amtsautorität wurde gewaltlos ein Konflikt ausgetragen. Politisch und sozial war allein ein "modus vivendi" erreichbar.

2.2.2 Comenius - Pansophie

Voraussetzung von Religionsdialogen war das Wissen und Kenntnisse über die eigene und fremde(n) Religione(n). Im 17. Jahrhundert hat Johann Amos COMENIUS mit "Bildung" in seinem Werk einen zentralen Platz eingeräumt. Im Dreißigjährigen Krieg entwickelte er im Rückgriff auf neuplatonische und christlich-chiliastische Traditionsbestände ein Verständnis zur Welt und Gottes, Frieden und Eintracht als ein "Wesen des Ganzen" (vgl. < https://www.ezw-berlin.de/publikationen/lexikon/chiliasmus/millenarismus/chiliasmus/[16.4. 2024]). Diese Einsicht könne nur durch universelle Kommunikation zwischen den Menschen gewonnen werden durch ein Zusammenführen des vorhandenen Wissens, wechselseitiges Lehren und Lernen (Didaktik) mit der Einsicht in eine Gesamtwirklichkeit ("Pansophie") (vgl. BROCKER - HILDEBRANDT 2008, 88-91; HÖRBURGER 1967, 51-54).

2.3 Moderne

Daraus lässt sich damals, heute noch aktuell, eine Forderung auf ein Menschenrecht auf Bildung, eine Durchsetzung interkonfessioneller, interreligiöser Dialoge und interkultureller Verständigung/ Bildung ableiten (vgl. die Bildungsziele und erwachsenenpädagogischen Herausforderungen "kulturell-religiöser Kompetenz in Politischer Bildung").

Der Optimismus der Philosophie der Epoche für ein informiertes Gespräch zwischen den Religionen als Friedensstiftung und Kooperation ist gegenwärtig selten anzutreffen (vgl. BROCKER - HILDEBRANDT 2008, 14, ). Aktuell im Aufkommen des Fundamentalismus kommt es zu einer Verschlechterung für einen interreligiösen Dialog (vgl. der Einschnitt durch den gewaltbreiten Fundamentalismus mit dem Attentat vom 11. September 2001). Eine solche Bewusstseinshaltung auch im interkonfessionellen Gespräch bzw. Verhalten ergibt keine Verständigung und keinen Raum für gemeinsames Handeln (vgl. den Erwählungsgedankengang und die Dialogunfähigkeit).

2.4 Theoretische Ansätze

2.4.1 Grundkategorien der Religionen

Religion kann als Versuch der Bewältigung des Menschen sein Dasein zu bewältigen. Grundkategorien aller Weltreligionen seien wesentlich "Retribution" und "Offenbarung" (vgl. BROCKER - HILDEBRANDT 2008, 15, 111-117).

Als Grundkategorien gelten für alle Weltreligionen im wesentlichen

  • "Retribution" als Bedürfnis des Menschen nach Rückgabe vorenthaltener Güter und Vergeltung für erlittenes Unrecht und
  • "Offenbarung" als Anspruch für diese Hoffnung durch Gott oder göttlich inspirierte Stifter.
  • Alle drei abrahamitische Religionen kennen ein Totengericht, das Menschen für begangenes Unrecht bestraft und Unrecht entschädigt. Verurteilt wird Selbstmord und Tötung Unschuldiger (vgl. die Verletzung der Ethik der jeweiligen Religionen in Kriegen und im Terror mit einer Überhöhung durch eine Theosophie).

2.4.2 Zivilreligion - Friedensreligion

Einen Weg der Friedensstiftung, abseits religionsphilosophischer Grundkategorien, schlägt die "Zivilreligion" mit ihrem innerstaatlichen Konsens in Form einer Integration religiös - pluralistischer Gesellschaften ein (vgl. SCHIEDER 2001). Gemeint sind eine Sammlung an Glaubenssätzen, Symbolen und Ritualen bei staatlichen Feiern, etwa in den USA mit dem Staatsmotto "In God We Trust", mit der Bindung der Bürger an das politische Gemeinwesen und dieses als religiös legitimiert erscheinen lässt (vgl. LÜBBE -LUHMANN - MAIHOFER -SCHEUNER - ZIPPELIUS 1981, 40 - 64, 56).

Zivilreligion als Friedensstifter ist umstritten, das Konfliktpotential ist hoch (vgl. USA). Die Gefahr einer Instrumentalisierung für staatspolitische Zwecke ist vorhanden. Die Politische Bildung geht von einem offenen politischen Diskurs über Wahrheit, Freiheit und Gouvernementalität für eine Sicherung des Friedens aus (vgl. GALLUS - JESSE 2007, 281 - 289, 307).

Im Verhältnis Religion und Politik wird unabhängig von der Zivilreligion die spezifische Liebesethik des Christentums benannt, "[...]das sie als die Friedensreligion schlechthin ansieht" (BROCKER - HILDEBRANDT 2008, 17). Friedensarbeit sei demnach ein Verständnis für menschenwürdiges Leben, der Gegensatz zur "Konsumentendemokratie", "seelenlosen Leistungsgesellschaft", "dialogisch - schöpferische Gemeinschaftlichkeit" mit Wirkung als "familiäre, lokale, regionale und globale Schicksalsgemeinschaften". Aufzulösen sei ein Spannungsverhältnis von Friedensbotschaft und klerikalen Absolutheitsansprüchen (vgl. die Friedenswilligkeit bei Albert Schweitzer und Desmond Tutu).

2.4.3 Pluralität im Verfassungsstaat

Unabhängig von der gegenwärtigen Epoche gibt es in den westlichen Gesellschaften eine entwickelte Pluralität von Weltanschauungen und Religionen mit besonderen Problembereichen. Einmal stellt sich die Frage von Glaube und Wissen. Religiöser Wahrheitsanspruch und wissenschaftstheoretische Einsicht in einem weltanschaulich neutralen Verfassungsstaat bedürfen eines Ausgleichs.

Von Interesse im Zusammenhang von "kulturell - religiöser Kompetenz" steht zudem die Trennung von Religion und Politik. Es geht im Kern um eine Privatisierung der Religion, Übersetzung der Zwischenbereiche in eine säkulare Sprache und Kommunikation mit begründeten Positionen sowie der Erhaltung eines innerstaatlichen Friedens. Zu beachten ist der politische Diskurs mit der Beteiligung von Gläubigen und Nichtgläubigen (vgl. Rede Jürgen Habermas bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandelns 2001; HABERMAS 2001, 24).

2.4.4 Religion und politische Konflikte

Religion wird in Konfliktsituationen zumeist ein Konfliktgegenstand, wenn es zu einer Instrumentalisierung bei politischen und sozio - ökonomischen Gründen dazu kommt. In innerstaatlichen und zwischenstaatlichen Kriegen bei Wirtschaftskrisen und Staatsverfall spielen Überlegungen zum Schutz religiöser Überlieferung kaum eine Rolle.

Verschärfend wirken Religionen dort, wo religiöse Überlieferungen politisch von gewalttätigen Eliten instrumentalisiert werden. Gewalthemmend wirken Religionen, wo es religiösen Gemeinschaften gelingt, Vereinnahmungen durch gewaltbereite Eliten zu verhindern, wobei ein höherer religiöser Bildungsgrad und eine internationale Vernetzung der Mitglieder von Bedeutung ist. Fallstudien zeigen, dass religiöse Akteure in politischen Konflikten positive Auswirkungen auf Konflikte hatten.

Aus großen Glaubensgemeinschaften entstanden immer wieder politische Bewegungen, die mit friedlichen Mitteln gegen Krieg, Unterdrückung und Unrecht vorgingen (vgl. BROCKER - HILDEBRANDT 2008, 19 - 23).

Beispiele aus jüngerer Zeit dafür sind etwa die katholische "Laiennorganisation Sant' Egidin" als Vermittler zwischen den Rebellen und der Regierung in Mosambik 1990 und zum Ende des Bürgerkrieges beitragen konnte.

Christliche Kirchen spielten in en siebziger und achtziger Jahren eine Rolle bei der Beendigung der Bürgerkriege in El Salvador, Guatemala und Nicaragua eine Rolle (Ausnahme Guatemala Lutherische Gemeinschaft, hilfreich die geschlossene Glaubensgemeinschaft der Katholischen Kirche in Zentralamerika).

Völlig anders und komplex die Verhältnisse im Nahen Osten als zentraler Krisenherd der Weltpolitik mit einer Ambivalenz im interreligiösen, ökumenischen Dialog und der Friedensarbeit.

Erfolgreich sind zu vermerken die Friedensstiftungen christlich - religiöser Akteure auf den Philippinen in der "Rosenkranzrevolution" 1986, im Grenzkonflikt zwischen Chile und Argentinien (1978 - 1984) durch den Vatikan und die Rolle der Evangelischen Kirche in der DDR während der friedlichen Revolution von 1989.

Vielfältig sind die Formen des Engagements zur Erziehung und Toleranz in ökumenischen und humanitären Aktivitäten und Projekten, im interreligiösen Dialog, gewaltlosen Widerstand und einer Ausarbeitung von Friedensinitiativen wie in Südafrika.

Teil II Fundamentalismus

Vorbemerkungen

Fundamentalismus macht einen Prozess einer Erneuerung aus dem Spannungsverhältnis von Tradition und Moderne bewusst und versucht beide Aspekte miteinander zu verbinden.

  • Ideologisch wird Tradition reinterpretiert und neu bestimmt. Mit Hilfe ausgewählter Elemente von Tradition und Moderne kommt es zu einer Synthese, bei der nicht nur Traditionalismus reformiert, sondern auch mitunter radikalisiert, fanatisiert und revolutioniert.
  • Fundamentalismus entsteht aus neuen Gruppierungen und Klassenbildungen in Verbindung mit sozialen Umwälzungsprozessen. Wenn man sich nicht an veränderte gesamtgesellschaftliche Verhältnisse anpassen will, werden Traditionen verteidigt. Dies muss man sich neu aneignen, was zur Selektion von bestimmten Aspekten führt, die man als Bedrohung ansieht.
  • Fundamentalismus enthält für gewöhnlich Gesellschaftskritik, Entwürfe einer idealen Sozialordnung, eine Mobilisierung religiöser Laien und heilsgeschichtliche Deutungen der Gegenwart. Entzeiterwartungen spielen eine Rolle. Gerne nehmen Fundamentalisten Anleihen bei anderen Ideologien, mit denen sie in Konkurrenz stehen (vgl. RIESEBRODT 1990/2001; SIX-RIESEBRODT-HAAS 2004, 19-20).
  • Neue religiöse Ideen, Gruppierungen oder Bewegungen gewinnen in einer pluralistischen Gesellschaft Attraktivität durch das Unbehagen, das Menschen im Alltag empfinden.
Elementare religiöse Sehnsüchte wie nach heiler Gemeinschaft angesichts einer großteils anonymen Gesellschaft, alltäglicher Ohnmachtserfahrungen, gleichgültiger Alltagsrhythmen und einer anderen Sichtweise des Lebens in einer orientierungsloseren Welt fördern einen religiösen Fundamentalismus und neue religiöse Gruppierungen, Ideen und Verbreitungssysteme.

Organisationsformen solcher religiösen Angebote sind offene Szenen und Gruppierungen mit Ausschließlichkeitsanspruch.

Neue religiöse Gemeinschaften gibt es heute innerhalb der großen volkskirchlichen Konfessionen und in Freikirchen.

Im Rahmen einer Politischen Bildung/ Erziehung erscheint die Auseinandersetzung mit Phänomenen religiöser Gemeinschaften neben den Kirchen in einer pluralistisch-demokratischen Gesellschaft wesentlich zu sein.

1 Fundamentalismus und Fanatismus als religiöse Phänomene

Im Folgenden werden beide Phänomene näher im Kontext der Religionspädagogik und Politischen Bildung beleuchtet.

1.1 Fundamentalismus

Setzt man sich mit dem Phänomen des religiösen Fundamentalismus auseinander, stößt man auf nicht wenige Beobachter, die den Fundamentalismus für eine politische Reaktion auf wirtschaftliche und soziale Änderungen in der Gesellschaft halten, wobei religiöse Formen eher zufällig angenommen werden.

  • Religion formt jedoch diese Bewegungen mit sozialer Identität, Solidaritätsbewegungen und politischen Interessensbestimmungen.
  • Religiöse Prägung findet sich in den gesellschaftlichen Milieus, dem Konsum- und Freizeitverhalten und im Verhalten zu anderen sozialen Gruppierungen.
  • Religiöse Prediger nehmen innerhalb des Fundamentalismus eine Führungsrolle ein, wobei sich eine neue religiöse Elite bildet, die ihre Position gegen politische und religiöse Führungen durchsetzt. Rhetorische Begabung, politische Unabhängigkeit, Organisationstalent und ein gewisses Maß an Opferbereitschaft, gepaart mit der geschickten Nutzung von Massenmedien, gehören zu den Kennzeichen dieser Akteure.
Im Gegensatz zu religiös-sozialrevolutionären Bewegungen, die den Geist des Stifters und die ursprüngliche Ordnung beschwören, wird die Deutung von Gesellschaftskrisen hier buchstabengetreu im überlieferten Wort gesehen.

Als Beispiele religiös motivierter sozialrevolutionärer Bewegungen gelten

  • die katholische Befreiungstheologie Lateinamerikas und
  • die protestantische Befreiungstheologie Südafrikas.
In der Soziologie - wie auch in der Umgangssprache - wird religiöser Fundamentalismus für gewöhnlich als eine fanatische Art religiösen Denkens und Handelns bezeichnet. Dieser hat inzwischen eine derart weite Bedeutung erhalten, dass er in der Literatur bereits Bände füllt (vgl. ausführlich dazu SIX - RIESEBRODT - HASS 2004, 13-32).

Im Folgenden soll daher aus Gründen der leichteren Verständlichkeit der Begriff "religiöser Fanatismus" näher untersucht werden.

1.2 Fanatismus

Die Wirkungen eines religiösen Fanatismus sind zweifach.

  • Zunächst können Lebensängste zu Dogmatismus führen und ein Feindbild schafften und damit Ängste verstärken.
  • Dogmatismus kann aber auch als ein Hort des Glaubens diese Lebensängste eindämmen. Ein geschlossenes Überzeugungssystem hat somit unterschiedliche Effekte, je nach Situation und Persönlichkeit.

1.2.1 Formen

Im Folgenden sollen Formen des religiösen Fanatismus erläutert werden.

  • Ein wichtiges Merkmal in diesen religiösen Intensivgruppen ist die Exklusivität. Im Extremfall beansprucht die Gruppe die Wahrheit und das Heil. Aus der Sicht etwa der Zeugen Jehovas dienen alle anderen christlichen Kirchen dem Satan. In der bevorstehenden Endzeitschlacht werden alle Menschen außer den Zeugen vernichtet. Nur in dieser Gruppe ist Wahrheit und Rettung zu finden, weshalb man sich konsequenterweise von Ungläubigen fernhält (Reinheit bewahren) und mit ihnen über Glaubensfragen ernsthaft diskutiert (geschlossenes Überzeugungssystem).
  • Religiöser Fanatismus hängt jedoch nicht immer mit Heilsanspruch zusammen. Zwar geht es um Rettung, aber die Gefahr muss nicht unbedingt ewiges Unheil sein. Die Gefahr muss allerdings von konkreten Feinden verkörpert werden. Es bedarf eines Feindbildes für den religiösen Fanatismus, es bedarf ebenso eines Angebotes für eine Rettung (Feindbild vs. idealisiertes Selbstbild).
  • Ein weiteres Merkmal ist der Verlust der Transzendenz. Die Gruppe ist sich ihres göttlichen Auftrages so sicher, dass sie über Heil und Unheil Andersdenkender ohne Ansehen der Person meint entscheiden zu können. Dieser Wille Gottes im eigenen Glaubenssystem und die Realität des Gotteswillen rücken letztlich so zusammen, dass sie nicht mehr unterscheidbar sind. Der nicht verfügbare, verborgene Gott der Bibel geht verloren. In einem unbiblischen Dualismus reicht es nicht aus, was Gott tut, denn das Böse ist in Gottes Schöpfung fast so mächtig wie Gott. Daher hat der Mensch das Böse zu bekämpfen und damit Gottes Werk mit zu übernehmen. "Fanatismus könnte man als den Irrtum bezeichnen, der dazu führt, Gott für Dinge verantwortlich zu machen, die man selbst tun sollte, oder selbst Dinge tun zu wollen, die nur Gott tun kann" (MONTAG 1997, 3).
Im Gegensatz zum religiösen Fanatismus, der sich auf kognitiver Ebene zwischen den drei Polen Idealisierung des Selbst, Dämonisierung des Anderen und Verlust der Transzendenz bewegt, ist der Anfang jedes religiösen Glaubens - nicht nur im Christentum - die Ehrfurcht vor dem Göttlichen, dem Ewigen, dem Absoluten, weil dies menschliches Verstehen und Verfügen übersteigt. Allerdings spiegelt jedes Gottesbild menschliche Wünsche und Ängste wider.

1.2.2 Evangelische Erwachsenenbildung

Für Evangelische Erwachsenenbildung bietet es sich an, zwischen einem Nahbereich des religiösen Fanatismus und einem Fernbereich anderer religiöser Traditionen zu unterscheiden.

  • Im Allgemeinen geht es thematisch mit diesen Gruppierungen um naheliegende Problembereiche wie die Auslegung der Bibel und um eine Frömmigkeitspraxis.
  • Ein Gespräch dreht sich zumeist um das richtige oder falsche Verständnis von Glaube, Kirche, Autorität, Heil, Sünde und Heiligung.
  • Reformatorische Theologie wird sich an das Tun Gottes anlehnen, denn Schuld und Sühne sind nicht menschliches Werk, sondern ein Werk Gottes am Menschen. "Schon von daher verbietet es sich, anderen Christen moralische Forderungen um die Ohren zu schlagen oder gar einen 'stärkeren Glauben' anderen Christen gegenüber als überlegene Leistung ins Feld zu führen" (HEMMINGER 2004, 19).
Christlicher Fanatismus weiß sich nicht von Gott auf einen Weg des Vertrauens gerufen, er bahnt sich den Weg selbst. Demgegenüber geschieht das zentrale Geschehen christlichen Glaubens - Kreuzigung und Auferstehung Christi - außerhalb von uns.

Klaus Berger, Universität Heidelberg, in: "DIE ZEIT" vom 16. April 2003 zur Frömmigkeit des US - Präsidenten George W. Bush und seiner neo-konservativen Anhängerschaft

"[...]liegt bei den genannten amerikanischen Gruppen - wie in den Kreuzzügen und in Teilen der englischen Reformation - bereits eine Säkularisierung der christlichen Vorstellungen vom Gericht vor. Denn wer nicht auf Gott warten kann, muss selbst die Geschichte in die Hand nehmen und wird selbst ernannter Gerichtsvollzieher. Wo Gott nicht 'der Herr' ist, nehmen seine angeblich Auserwählten die Rolle des Richters wahr. Die religiösen Denkschemata werden von der Wirklichkeit Gottes gelöst und von den Geboten der Humanität abgekoppelt, die im Alten und Neuen Testament unterschiedslos der spezifische Ausdruck des Willen Gottes sind. Dagegen geht es den Auserwählten gerade nicht darum, den geforderten Willen Gottes zu tun...."

Theologische Argumente allein begegnen nicht christlichem Fanatismus.

  • Christliche Seelsorge hat von der Einsicht auszugehen, dass der Fanatismus für die Einzelperson und für die Gruppe ein psychologisches Werkzeug ist, mit äußerer Wirklichkeit und persönlichen Konflikten so umzugehen, dass Ängste abgewehrt und Zweifel verhindert werden.
  • Der psychologische Vorteil einer fanatischen Gruppe/ Gemeinschaft ist ihr geschlossenes Überzeugungssystem und ihr Rigorismus.

1.2.3 Politische Bildung

Für Politische Bildung/ Erziehung im Kontext mit Interkultureller Kompetenz im Rahmen der Erziehungswissenschaften und Religionspädagogik gilt gleichermaßen.

  • Eine Gesellschaft mit offenem Überzeugungs- und Meinungssystem in einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft hat man mit Menschen sich zu arrangieren (Konsensfähigkeit).
  • Toleranz ist demnach unabdingbar, Freiheit und Gleichberechtigung in den verschiedensten Formen ist damit verbunden.
  • Fanatismus erzeugt dagegen einen hohen Konformitätsdruck und verhindert persönliche Entwicklung.
  • Positive menschliche Interaktionen leben von einer Balance zwischen Freiheit und Veränderung, Bindung und Bestätigung. Dies geht im religiösen Fanatismus verloren (vgl. DICHATSCHEK 2003, 227-231).
Man kann auch religiösen Fanatismus als eine schwache, verformte oder von Angst beeinflusste religiöse Identität ansehen.

  • Wenn man Identität als Finden von Anerkennung definiert, lässt sich die Kraft hinter dem Fanatismus als eine übersteigerte Angst vor einer Entwertung des eigenen Glaubens und damit seiner Identität erfassen.
  • Allerdings sollte man auch nicht Identität so verstehen, dass immer größere persönliche Autonomie eingefordert wird.

1.3 Thesenhafte Zusammenfassung

Fundamentalismus bzw. Fanatismus bezeichnen eine radikale Form religiösen Denkens und Verhaltens bei Einzelpersonen und Gruppen.

Zur Abwehr von Ängsten sichert man die absolute Gültigkeit von religiösen Ideen und Verhaltensformen bzw. einer Moral. Unterschiedliche Gründe für Ängste ergeben typische Denk- und Verhaltensweisen mit typischen Strukturen in solchen religiösen Gruppierungen.

Religiöser Fundamentalismus bzw. Fanatismus sind Gefahren für jede Person und Gruppe, die einer religiösen Wahrheit verpflichtet sind.

Nicht betroffen sind religiös indifferente Menschen.

Konflikte begründen sich oftmals als Folge eines Fanatismus. In der Regel verbirgt sich hinter einem Fanatismus eine schwache religiöse Identität.

2 Religion und Politik in Amerika

Im Folgenden wird auf Entwicklungen in den USA und Lateinamerika eingegangen.

2.1 Beispiel USA

Die religiösen Einflüsse auf die US - Politik sind so vielgestaltig wie die religiöse Landschaft des riesigen Landes. Es versteht sich von selbst, dass die Einordnung der USA als "christliche Nation" nur eine Minderheitsmeinung darstellt, wohingegen der Gebrauch religiöser Bezüge und Symbole in der Öffentlichkeit weithin akzeptiert wird. Der Präsidentenwahlkampf zwischen George Bush jun. und Al Gore aktualisierte solche Überlegungen im besonderen Maß.

Das "Impeachment - Verfahren" gegen Präsident Bill Clinton und die persönlichen Konsequenzen führender republikanischer Gegner bestärkten Europäer in ihrem Eindruck, dass politische Abläufe in den USA oft bizzar durch moralische Tauglichkeiten ihrer Vertreter gekennzeichnet sind, eine Trennung zwischen Person, Amt und politischem Programm nicht vorhanden und eine besondere moralische Form von Christentum ausgeprägt ist. Dagegen steht die Erkenntnis, dass vielmehr "Skandale" - auf Bundesebene - in den USA sehr rationale Vorgänge darstellen, geht es doch um Machtausgleich zwischen dem Weißen Haus und dem Kongress, wie es sich zwischen Präsident und Parlamentsmehrheit in den USA immer wieder zeigt. Solche blockierenden Situationen, meist ohne pragmatische Differenzen - man sehe sich die Machtverhältnisse bei Nixon, Ford, Reagan und jetzt bei Bush an - sind der ideale Nährboden für persönliche Attacken, die eine entsprechende Medienlandschaft begierig annimmt. So erhofft man sich bei nachfolgenden Wahlen positive Effekte. Obwohl echte Missstände aufgezeigt werden, ist es doch eher ein Ausdruck einer institutionellen Blockade als eines religiös-moralischen Meinungsdrucks auf das politische System.

Die Neigung der US - Politik, besondere Formen der Religiosität zu praktizieren, entspricht einer Selbstdarstellung der Nation, wie etwa der Eröffnung jedes Sitzungstages des Kongresses mit einer Andacht und der Proklamation "In God We Trust" auf der Rückseite der Eindollar - Note. Die USA fühlen sich in ihrer Staatsgründung keineswegs weltanschaulich neutral, sondern eher als "christliche Nation" - genau genommen eine protestantisch-christliche Nation, da der Katholizismus mit seiner innerweltlichen Quasi-Staatlichkeit natürlich abseits stand. In der US - Verfassungsgeschichte dagegen findet diese Deutung keine Unterstützung und wird auch nicht durch die oberste Gerichtsbarkeit (Supreme Court) akzeptiert.

Bedeutende Teile der nordamerikanischen Christenheit lehnen eine Verbindung von Staatsgewalt und Religion ab, andere Teile befürchten eine Randstellung von Religionen. Erst im 20. Jahrhundert entdeckte die akademisch gebildete US - Öffentlichkeit eine jüdisch-christliche Tradition, wobei hierbei die jüdische Integration als Folge des Zweiten Weltkriegs hilfreich war. Diese Zusammenziehung zweier Weltreligionen machte eine religiöse Selbstbeschreibung diffuser, wodurch auch eine Religiosität der USA unverbindlicher wurde. Als Folge erkennt man eine häufig öffentliche Rhetorik, mit der Europäer wenig anfangen können.

Die jüdisch - christliche Konstruktion entspricht einem Einstellungswandel in der vorherrschenden US - Politik. Die heutige politische Klasse der USA ist bei weitem nicht mehr so von politischen Richtungen und Elitepositionen geprägt und dominiert, die einstmals politische Macht unter sich verteilte (Episkopale, Presbyterianer, Methodisten und Lutheraner). Unter den Nachkriegspräsidenten waren dann auch ein Katholik (Kennedy), Baptist (Carter) und ein Quäker (Nixon), alle Vertreter von Glaubensrichtungen, die zuvor geringe Repräsentanz in politischen Spitzenpositionen erfuhren.

Diese Ausweitung des religiösen Spektrums hat einer Integration von Juden in den politischen Eliten genützt. Wichtig ist, dass in "irgendeiner Weise" ein Kandidat an den Gott beider Testamente glaubt, so wie es Dwight Eisenhower einmal ausdrückte, als er meinte, alle Amerikaner sollten ihren Glauben praktizieren. Wie weit dann eine jüdisch - christliche Glaubensvorstellung gehen kann, konnte man 1967 beim "Sechstagekrieg" sehen. Nicht nur die Bedrohung des Staates Israel, trotz eines eher säkularen US-Judentums, erweckte eine Identifikationswelle gegen eine feindlich wahrgenommene Außenwelt, auch die Abgrenzung gegen eine "kommunistisch" oder "islamisch" beschriebene Welt - man denke an den "arabischen Sozialismus" - erzeugte einen politischen Konsens auf allen Ebenen. Der gemeinsame Nenner war - man vergleiche das republikanische Parteiprogramm - die Betonung militärischer Stärke. Was sich unter Reagan und Bush sehr deutlich zeigte, wird heute als Selbstbewusstsein der Nation gewertet, die sich durch religiöse Werte geprägt sieht und sich als Ausnahmeerscheinung unter den hochentwickelten, zunehmend säkularisierten Industriestaaten versteht.

Der religiöse Konsens spielt in der innenpolitischen Szene keine erkennbare Rolle, denn damit wären Ausgrenzungen religiöser Gruppierungen die Folge. Viel wichtiger sind hier Akzentuierungen, die innerhalb der Konsensbreite auftreten. Selbst der Streit um den Schwangerschaftsabbruch zeigt, dass die Fronten nicht deckungsgleich mit den Grenzen religiöser Lager verliefen.

Dem Europäer fällt die Verbannung organisierter Religion und eine gleichzeitige Überwucherung des politischen Alltags mit religiösen Bezügen auf. Das zweite folgt aus dem ersten, weil durch den Verfassungskonsens Rechtsmittel gegen eine Besetzung der Politik durch eine bestimmte Religiosität bzw. Konfession eingesetzt sind. Damit wird auch eine allgemeine religiöse Symbolik - "jüdisch- christlich" - akzeptabel und eine gewisse Gläubigkeit als Grundvoraussetzung erfolgreicher politischer Präsentation ergibt sich in der Öffentlichkeit.

Religiosität in den USA ermöglicht eine Kultur der persönlichen Freiheit in Abgrenzung gegen staatliche Institutionen und Freiheit in der Entfaltung durch Teilnahme an religiösen Veranstaltungen. US - Kirchen sehen sich daher als Form der Einübung positiver Bürgerrollen im Sinne eines Praktizierens eines unter Gleichgesinnten verankerten Normensystems und einer Verantwortlichkeit auf Wechselseitigkeit, die in den USA besonders stark ausgeprägt ist.

Nordamerikanische Religionsgemeinschaften mit dem Kennzeichen evangelikaler Gläubigkeit boten Menschen, die häufig europäischen hierarchischen Staatskirchen entflohen, eine einer mobilen und offenen Gesellschaft gemäße unkomplizierte Gläubigkeit.

Eine konsensfähige Charakterisierung der "Evangelikalen" grenzt diese durch vier Kennzeichen ab:

  • Fixierung auf die Kernfamilie,
  • Prägung durch "born again"/ Konversionserfahrung,
  • Akzeptanz einer vollen Autorität der Bibel über Glaubensgrundsätze und Lebensgestaltung sowie
  • Verbreiten des Glaubens durch öffentliches Zeugnis im eigenen Leben.
Fundamentalisten sind eine Teilgruppe daraus, die sich durch buchstabengetreues Umsetzen im Gegensatz zu Erkenntnissen moderner Wissenschaften bzw. der kritischen Theologie hervortut.

Differenzierungen in der Vielfalt amerikanischer Kirchen und den Evangelikalismus beschreiben ausführlich SCHULTZ - WEST - MACLEAN (1999) und ELWERT - RADERMACHER -SCHLAMELCHER (2018, 109-128).

2.2 Beispiel Lateinamerika

Evangelika und fundamentalistische Protestanten bilden heute die zweitgrößte religiöse Gruppe in Lateinamerika. Damit sind sie eine zentrale Größe und zugleich Konkurrenz des religiösen Monopolisten, der Katholischen Kirche, geworden. Vorgenommen wird eine Unterteilung in einen liberalen und evangelikalen Protestantismus (vgl. KÖHRSEN 2018, 129-140).

  • Der Evangelikalismus unterscheidet sich durch einen Missionsschwerpunkt, restriktive Moralvorstellungen und die Betonung von Konversion als Neuanfang.
  • Unterschieden wird auch zwischen nicht- charismatischen und charismatischen (pfingstlichen) Strömungen.
Mit dem beginnenden 20. Jahrhundert breitet sich die Pfingstbewegung als evangelikale Strömung aus.

  • In der Folge kommt es ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem starken Mitgliederzuwachs.
  • Die Studie des "Pew Research Centers" 2014 registriert fast jeden fünften Lateinamerikaner heute als Protestanten (vgl. http://www.pewresearch.org > Religion in Latin America[17.5.2018]). Allerdings gibt es starke Schwankungen, so etwa 41 Prozent in der Bevölkerung in Honduras und Guatemala, nur sieben Prozent in Paraguay und neun Prozent in Mexiko.
Pfingstbewegungen kennzeichnen sich durch

  • den Glauben an das Wirken des Heiligen Geistes (Sprechen in fremden Sprachen, Heilung von Krankheiten, Geisteraustreibung und Prophetie).
  • Gottesdienste sind für ihre Ausgelassenheit, Feierlichkeit und Emotionalität bekannt (vgl. SCHÄFER 2009, 553-608).
Erklärungen für die Verbreitung ergeben sich aus der Deprivationstheorie und dem Marktansatz.

  • Nach der Deprivationstheorie zieht die Pfingstbewegung die armutsbezogene Bevölkerung mit ihren Problembereichen besonders an. Angeboten werden Hoffnung, Hilfestellungen und ein moralischer Leitfaden für ein besseres Leben.
  • Marktansätze betonen die Ausblendung der religiösen Fragen der Unterschichten und damit die Betonung auf das breite Angebot der religiösen Produkte, also die Betonung und der Schwerpunkt einer Verbesserung des Diesseits und einer Rekombination religiöser Elemente.
  • Nicht zu übersehen sind Tendenzen eines sozialen Aufstieges von Pfingstlern in der zweiten und dritten Generation (vgl. KÖHRSEN 2018, 136).

3 Evangelikalismus in Europa

In Europa ist ein ständiger Wandel zu verzeichnen. Unterschiedliche Prozesse ergeben sich aus der Globalisierung (vgl. ELWERT-RADERMACHER 2018, 184-185).

  • Einerseits begünstigt der transnationale Austausch Evangelikalisierung. Es kommt zu US - amerikanischen Einflüssen und Formen neuer sozialaktivistischer Bewegungen (vgl. ZIEGERT 2015).
  • Andererseits spielt die transnationale Migration eine Rolle. In katholisch (Spanien, Portugal) und orthodox (Ukraine) geprägten Länder etablieren sich zunehmend protestantische Gemeinschaften. Der Evangelikalismus ist dort eine dominante Form des Protestantismus.
  • In Ländern mit eigener evangelischer Tradition ändert sich die religiöse Landschaft durch Zuwanderung (vgl. der Zuzug evangelikal geprägter Russlanddeutscher in Deutschland, der auch eine Pluralisierung evangelikaler Gemeinschaften auslöste).
  • Amts- und Volkskirchen sind von den Impulsen betroffen (vgl. für Deutschland ZIEGERT 2015).
  • Das Verhältnis von autochthonen und Migrationsgemeinden ist nicht immer spannungsfrei.
  • Ein Sonderfall stellen die pentekostalen Roma als transnationale Minderheiten dar. Der charismatische Evangelikalismus ist die dominierende Form von Religiosität unter Roma (vgl. Frankreich, Spanien, Portugal und Rumänien; ELWERT-RADERMACHER 2018, 184).
  • Evangelikale Netzwerke spielen in den Neuen Medien eine zunehmende Rolle (vgl. http://www.europeanea.org; http://jesus.ch; http://pef.eu [18.5.2018]; vgl. GUSKE 2014, 86).
Europäischer Evangelikalismus ist ein vielfältiges und global vernetztes Phänomen, kaum unterscheidbar in Freikirchen und protestantischen Gemeinschaften.

4 Hilfestellungen

Im Folgenden werden zwei praktische Hilfen gegeben, die sich aus theologischen Argumenten und einem Kommunikationsgeschick ergeben.

4.1 Glaube

In der biblischen Tradition ist der Glaube die Beziehung zwischen Mensch und Gott (vgl. das Doppelgebot der Liebe, Lk 2). Dieses Beziehungsgeschehen wird häufig mit Bildern beschrieben. Das Wachstum der Gottesbeziehung braucht Zeit, Gott hat die Geduld eines guten Gärtners mit den Menschen. Der Glaube darf unfertig sein, wichtig ist seine Lebendigkeit, denn dann kann er wachsen. Mit dem Samen (des Glaubens) werden die Menschen der Acker, den Gott bebaut. Glaube ist also eine Gabe Gottes, nicht menschliches Werk. Das Gegenteil wäre Misstrauen und Angst, Mangel an Vertrauen zu dem, was Gott für die Menschen tut. Das einzige Maß des Glaubens in der Sprache der Bibel ist die Frucht, die schließlich der Glaube bringt, wenn Gott die Ernte einfährt.

Pointiert ausgedrückt könnte man sagen, dass die biblische Sprache einem fanatischen Glauben widerspricht. Es kommt nicht auf die Fülle eines Glaubenswissens an, nicht auf die Qualität der Argumente, auch nicht auf die Logik des Ideensystems, den Lebensstil oder die Höhe der Moral. "Wie die Kritik Jesu an den Pharisäern zeigt, kann ein untadeliges Leben etwas höchst Tadelnswertes werden. Sämtliche Maßnahmen, mit denen die Fanatiker unterschiedlichen Typs versuchen, ihren Glauben abzusichern, sind für die Gottesbeziehung zweitrangig oder völlig nutzlos. Die auf Vertrauen ruhende Gewissheit des glaubenden Menschen, sein personal-ganzheitliches Verhältnis zu Gott (certitudo), entartet durch die Sicherungsbemühungen zu einer scheinbaren Sicherheit (securitas), die man nun zu besitzen scheint" (HEMMINGER 2004, 26; vgl. EVANGELISCHER ERWACHSENENKATECHISMUS 2001, 690-695).

Kritische Fragen an einen christlichen Fanatismus

  • Wächst Liebe, Frieden und Hoffnung auf Angst und Streit?
  • Wird das Evangelium für die anderen attraktiver oder wird es schwieriger und abstoßender?
  • Wie wirkt Lehre und Handeln auf unsichere Christen? Bringt das Evangelium Trost und Ermutigung oder Angst und Zwang?
  • Geht es um das Vertrauen auf Gott oder wird Vertrauen auf den Menschen und seine Ansichten/ Lehre/ Meinungen verlagert?
  • Geht es schließlich im Gespräch mit den anderen um das Verbindende und Gute in deren Denken und Tun oder geht es um das Trennende und Schlechte?

4.2 Kommunikation

Ohne Zweifel wirkt eine andere Sichtweise für Fanatiker bedrohlich und erzeugt Spannungen.

  • Glaubensfragen werden gerne als Dogmen widergegeben.
  • Kommunikation erscheint daher zumeist nur in einer entkrampften Atmosphäre möglich zu sein.
Unverbindliche Ratschläge zu einer Gesprächsführung ergeben sich

  • als biographischer Bericht des Gesprächspartners.
    • Wie kam man zu diesem Zugang zum Glauben und zur Gruppe?
    • Was waren die ursprünglichen Probleme und Ziele?
  • als Perspektivenwechsel: Wie fühlen sich Eltern, Kollegen und Ehepartner auf andere?

Literaturhinweise - Fundamentalismus

Angeführt sind jene Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden.

Dichatschek G. (2000): Eine Kultur der persönlichen Freiheit. Religion und Politik in den USA, in: SAAT Nr. 22, 26. November 2000, 8-9

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Elwert Fr. - Radermacher M. - Schlamelcher J. (Hrsg.) (2018): Handbuch Evangelikalismus - Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 10174, Bonn

Enquete - Kommission des Deutschen Bundestages "Sogenannte Sekten und Psychogruppen" (Hrsg.) (1998): Neue religiöse und ideologische Gemeinschaften und Psychogruppen. Forschungsprojekte und Gutachten der Enquete - Kommission, Hamm

Guske K. (2014): Zwischen Bibel und Grundgesetz. Die Religionspolitik der Evangelikalen in Deutschland, Wiesbaden

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Lehrmann H. (Hrsg.) (2016): Transatlantische Religionsgeschichte. 18. bis 20. Jahrhundert, Göttingen

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Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft (1999/4): Schwerpunktthema "Politische Strömungen in den USA", Baden-Baden

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Vereinigte - Lutherische Kirchen Deutschlands (VELKD) (2000): Handbuch Religiöse Gemeinschaften, Gütersloh

Ziegert K.R. (2015): Die Verkäufer des perfect life. Über die Amerikanisierung der Religion und den Untergang der EKD - Kirchenwelt in Deutschland, Münster

Zimmerling P. (2002): Die charismatischen Bewegungen. Theologie - Spiritualität - Anstöße zum Gespräch, Göttingen

Teil III Gewalt und Religion

Vorbemerkung

Die Ereignisse des 11. September 2001 werfen eine Fülle von Fragen auf, so die nach der Rolle der Religionen in globalen und regionalen Konflikten. Von Interesse sind mögliche Strategien, Eskalierungen zu vermeiden.

Für das Interessensfeld "Politische Bildung/ Menschenrechtsbildung" und Religionspädagogik zeigt sich ein nicht abgeschlossener Diskussionsprozess, der mit diesem Beitrag weitergeführt werden soll.

"Die religiös-weltanschauliche Landschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist nicht nur durch das Fortschreiten von Säkularisierungs- und Modernisierungsprozessen bestimmt, sondern auch durch die sogenannte 'Wiederkehr der Religionen', die als eine den Menschen ergreifende Macht öffentlichen Einfluss gewinnt" (HEMPELMANN 2002, 1).

Religionen treten als

  • Quellen moralischer Verpflichtung und als
  • Faktoren in gewaltsamen Konflikten in Erscheinung.
Samuel P. HUNTINGTONs "Kampf der Kulturen" und Hans KÜNGs "Projekt Weltethos" sind dabei von besonderem Interesse. Die Frage nach einem möglichen Beitrag der Kirchen zur Förderung des Friedens stellt sich damit.

1 Religiös motivierte Gewalt

Folgt man dem US-Politikwissenschaftler Samuel HUNTINGTON, dann ging das Ende des Kalten Krieges mit der Vertreibung der Menschheit aus einem Sicherheitsparadies einher (vgl. HUNTINGTON 1996).

Die weltumfassende Konkurrenz der Supermächte hörte sich auf und gleichzeitig mit ihr eine Epoche einer auf Interessensausgleich ausgerichteten Weltpolitik. HUNTINGTON sieht in der Folge eine "Ära der Glaubenskriege". Religiöse Nationalisten kämen an verschiedensten Orten an die Macht und würden ihre Anhänger gegeneinander aufbringen. Die Welt würde sich in einem blutigen Prozess politisch neu ordnen.

Am Ende stehen sich Glaubensgemeinschaften gegenüber, die mit Hilfe von Staaten und internationalen Allianzen Machtpositionen sich gegenseitig streitig machen.

Politik wird damit zur Fortsetzung von Religion mit anderen Mitteln.

Zur Begründung der Thesen werden die Konflikte in Bosnien, Tschetschenien, Indien, Indonesien und Nigeria angeführt.

Gegner zum Kampf um das Primat ihrer Religion stehen sich in diesen Regionen gegenüber wie

katholische Kroaten,

orthodoxe Serben und bosnische Muslime in Bosnien,

muslimische Rebellen gegen orthodoxe Russen in Tschetschenien,

Hindus gegen Muslims und Christen in Indien,

Muslims gegen Christen in Indonesien und in Nigeria ebenso Angehörige von Religionsgemeinschaften in blutigen Unruhen.

HUNTINGTON sieht eine Umkehr des Prinzips "Ein Staat, eine Religion" zu "Eine Religion, ein Staat" mit gewaltigen Opfern und anhaltenden Grausamkeiten.

Diese Thesen haben insbesondere unter Politologen und (auch) unter Pädagogen eine starke Resonanz gefunden und bedürfen einer kritischen Analyse.

Im Folgenden wird zu begründen sein, dass unsere Welt

  • nicht in eine Phase von Glaubenskriegen eintritt und
  • dass politische und wirtschaftliche Motive die meisten Konflikte begründen.
  • Natürlich bieten sich auch religiöse Überzeugungen für eine gewalterzeugende und gewaltförderliche Instrumentalisierung in diesen Konfliktherden an. Zu untersuchen ist, wie man solche steigerbare Kraft religiöser Unterschiede zwischen politischen Gegnern eindämmen und ausschalten kann.

2 Religiöse Faktoren in zwischenstaatlichen Konflikten

HUNTINGTON geht in seiner Analyse vom Ende der Supermächte und künftigen "Kernstaaten" aus, die staatliche Allianzen - mit gleichem oder ähnlichem Glaubensbekenntnis - ergeben.

China wird der Mittelpunkt - auch als Schutzmacht - eines konfuzianisch-asiatischen, Indien der eines hinduistischen und die USA eines abendländisch-christlichen Bündnisses demnach sein. Russland wird schließlich der Kern eines slawisch-orthodoxen Blocks werden.

Noch nicht absehbar für HUNTINGTON gibt es eine Zentralmacht des muslimischen Bereichs.

Treibende Kräfte dieser neuen weltpolitischen Epoche sind demnach religiöse Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede. Auseinandersetzungen zwischen den Weltreligionen werden zunehmen, während innerhalb der Weltreligionen Konflikte an Bedeutung verlieren. HUNTINGTON sieht in diesem Interpretationsschema für die Gegenwart und Zukunft Kräfte religiöser Homogenität und einer Ausgrenzung fremder Götter am Werk.

Drei empirische Befunde sprechen gegen Huntingtons Thesen, die zusammenfassend hier referiert werden sollen.

  • In der Gegenwart sind zumeist die Konflikte Bürgerkriege, die zwischen Angehörigen derselben Weltreligion ablaufen: der Clankrieg im muslimischen Somalia, der Genozid im christlichen Ruanda, die blutigen Konflikte in Algerien und im Irak, der erste Golfkrieg zwischen dem Iran und Irak und die Kurdenkriege.
  • Joseph NYE meint denn auch, dass wir nicht eine neue globale Konfliktformation erleben (vgl. NYE 1995, 5-24). Vielmehr erleben wir neue Zerfallsprozesse in und zwischen Staaten. Im Verlauf von historisch gesehen normalen Herrschafts-, Macht- und Wirtschaftskonflikten werden religiöse Differenzen - man denke zwischen Schiiten und Sunniten oder Katholiken und Protestanten - bedeutsam, während die großen Gemeinsamkeiten der Weltreligionen in den Hintergrund treten.
  • Es lassen sich keine Blockbildungsprozesse entlang religiös definierter Konfliktlinien erkennen, vielmehr dominiert die Logik des Macht- und Bedrohungsgleichgewichtes. So erklärt sich auch die westliche Hilfestellung für Kuwait und Saudi-Arabien im Irakkonflikt, die Hilfe Saudi-Arabiens im Jemen 1994 gegen den islamischen Süden und die Stützung von Japan, Südkorea und Taiwan durch die USA.
  • Wenn die Schere zwischen Arm und Reich sich öffnet, wenn Modernisierung Gewinner und Verlierer erzeugt, erhalten erst religiöse Bewegungen Zulauf. Hier wird Religion instrumentalisiert, wobei die heutigen blutigen Auseinandersetzungen weniger zwischen "Gläubigen" und "Ungläubigen" als vielmehr zwischen "Arm" und "Reich" oder auch zwischen "Zentrum" und "Peripherie" verlaufen. Sakrale Symbolik und religiöse Rhetorik durch politische Eliten spielen mitunter eine Rolle bei der Mobilisierung für gewaltsame Eskalationen, denn Gewalt zu legitimieren fällt mit den Argumenten des Kampfes um eine "heilige Sache", der Verdammung des Gegners als "teuflischen Widersacher" und einer Vernetzung religiöser Institutionen in den jeweiligen Gesellschaften leichter.
Politikwissenschaft und Politische Bildung unterscheiden zwischen "Konflikt" und "Konfliktverhalten", wie dies am Beispiel der Unruhen in Nigeria gezeigt werden kann.

"Nach dem Bürgerkrieg, der das Land zwischen 1967 und 1970 verwüstet hatte, übernahm eine Koalition aus Militärs und Wirtschaftsführern aus dem Norden die Macht in Nigeria. Sie richtete Staat und Volkswirtschaft zu Grunde. Als im Laufe der neunziger Jahre der Widerstand gegen das autoritäre und korrupte Regime wuchs, spielte es bewusst die religiöse Karte aus und versuchte damit, die Oppositionsbewegung zu zersplittern. 1999 musste das Regime auf Druck des Auslands Präsidentschaftswahlen durchführen. Dank der Stimmen auch vieler Muslime siegte mit Olusegun Obasanjo ein Reformer und Christ aus dem Süden Nigerias. Die alten Eliten sahen sich in ihrer Macht bedroht und versuchten, das Land unregierbar zu machen, um die Voraussetzungen für einen erneuten Militärputsch zu schaffen. In diesem Zusammenhang setzten sie die Einführung des islamischen Rechts in einigen Provinzen Nigerias durch. Die Folge war so absehbar wie brutal. Radikalisierte Jugendliche beider Religionen lieferten sich blutige Straßenschlachten. In deren Verlauf gingen Moscheen und Kirchen in Flammen auf, und mehrere hundert, wenn nicht tausend Menschen wurden getötet. Es kann freilich als gesichert gelten, dass die Unruhen in Nigeria ohne die bewusste Provokation der Glaubensgemeinschaften durch die alten Eliten nicht mit der Gewalt ausgebrochen wären, wie wir sie jetzt beobachten" (RITTBERGER 2002, 8).

3 Gegenstrategien zur Eindämmung von Gewalt

Drei Strategien sind zu diskutieren, die sich einer politikwissenschaftlichen Tradition und damit Aspekten einer Politischer Bildung zuordnen lassen.

3.1 Realismus

Hier geht man davon aus, dass Konflikte zwischen Staaten, Völkern/ Ethnien oder Religionsgemeinschaften unvermeidlich sind, solange keine Schiedsinstanz mit Gewaltmonopol eingreift (vgl. dazu HUNTINGTON 1996, KEPEL 1991, SEUL 1999 und TIBI 1999).

Das Abschreckungspotential funktioniert nur dann, wenn klare Trennlinien - man denke an Grenzen - vorhanden sind und sich verteidigen lassen. Bei Religionsgemeinschaften bedeutet dies eine Entflechtung (auch um den Preis von Umsiedlungen), damit etwa ethnische Säuberungen vermeiden werden können.

Solche theoretischen Ansätze von Realisten sind höchst umstritten und werfen zwangsläufig Fragen auf wie

  • Kann man durch Abschreckung und/ oder Unterdrückung religiösen Gewaltmotiven wirkungsvoll entgegenwirken?
  • Sind solche Methoden moralisch gerechtfertigt?

3.2 Liberalismus

Insbesondere Sozialwissenschaftler begründen religiöse Radikalisierung mit den Entwicklungs- und Modernisierungskrisen in vielen Entwicklungsländern (vgl. dazu MÜLLER 1998 und NYE 1995).

Religiöse Nationalisten würden kaum Chancen bei realistischen Zukunftsperspektiven in diesen Regionen haben. Mit breiten Demokratisierungs- und Entwicklungsstrategien wären solche auf Mitbestimmung organisierte Gesellschaften weniger für religiöse Gewalt anfällig, wobei dies einen reformwilligen Staat voraussetzt. Solche Voraussetzungen sind aber in vielen Krisenregionen nicht gegeben.

3.3 Konstruktivismus

Diese Gruppe von Sozialwissenschaftlern baut auf die argumentative Auseinandersetzung mit religiösen Nationalisten (vgl. ADLER 1997,319-363; HOPF 1998, 171-200; WENDT 1999, 20-21).

Konstruktivisten gehen von einer wertegestützten Überzeugung politischer Eliten aus, die Antworten auf eine Angemessenheit der Anwendung von Gewalt gibt.

Vor allem autokratische und autoritäre Regime scheuen eine solche Auseinandersetzung und flüchten in der Regel in Strategien einer Zensur.

Hier soll die Tradition der Aufklärung gepflegt werden. Bei allem Anschein von Naivität kann historisch auf das Entstehen friedensstiftender sozialer Bewegungen aus der Mitte von Glaubensgemeinschaften verwiesen werden, die mitunter radikale soziale und politische Reformen anstrebten.

  • Man denke an die indische Unabhängigkeits- und die US-Bürgerrechtsbewegung,
  • die tibetanische Befreiungsbewegung und
  • auch die Bewegung zur friedlichen Überwindung des südafrikanischen Apartheid-Regimes mit ihrem mäßigenden Einfluss christlicher Kirchen.
  • Auf die Rolle der Evangelischen Kirchen in Ostdeutschland bei der sog. "Wende" muss in diesem Zusammenhang hingewiesen werden, wenngleich diese nicht zu überbewerten ist.
Es gibt Fortschritte bei einer friedlichen Verständigung von Glaubensgemeinschaften und Weltreligionen. Man denke an die "Weltkonferenz der Religionen für den Frieden" 1970 in Kyoto und an das "Parlament der Weltreligionen" 1993 in Chicago, aber auch an die ständigen Bemühungen des Weltkirchenrates.

Das Bekenntnis zu Frieden und gegen Krieg und Gewalt gibt Möglichkeiten für eine Koordination von Glaubensgemeinschaften in Krisensituationen. Nach RITTBERGER (2002) ist es freilich noch nicht hinreichend erforscht, wann und unter welchen Bedingungen sich die konfliktentschärfenden Interpretationen der religiösen Überlieferungen gegen deren konfliktverschärfende Interpretationen durchsetzen (vgl. RITTBERGER 2002, 11).

3.4 Reflexion

Es ist empirisch nicht nachweisbar und daher diskussionswürdig, inwieweit Menschen sich durch Zwang, Gewalt und Geld in ihren Handlungsentscheidungen leiten lassen.

Jedenfalls spielen Argumente zur Unterstützung friedlich - kollektiver Handlungsziele eine wichtige Rolle.

Mit der Methode der Dialogstrategie suchen Konstruktivisten nach Lösungen politischer Konflikte, die religiösen Glaubensinhalten gerecht werden (vgl. KÜNG 1992, 1997, 2000).

Allerdings muss die Dialogstrategie durch ökonomische und soziale Strategie sowie mitunter durch Strategien abschreckender Gegengewalt ergänzt werden.

Nicht unterschätzt werden sollte der Beitrag von Glaubensgemeinschaften und Weltreligionen zur Erhaltung und Förderung des Friedens.

Literaturhinweise - Gewalt und Religion

Angeführt sind diejenigen Titel, die für den Beitrag verwendet und/ oder direkt zitiert werden.

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Huber W. (1998): Kirche in der Zeitenwende, Gütersloh

Huntington S. (1996): Der Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München-Wien

Juergensmeyer M. (2009): Die Globalisierung religiöser Gewalt. Von christlichen Milizen bis al-Qaida, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 1020, Bonn

Kallscheuer O. (1996): Das Europa der Religionen, Frankfurt/M.

Kepel G. (1991): Die Rache Gottes. Radikale Moslems, Christen und Juden auf dem Vormarsch, München-Zürich

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Küng H. (1997): Weltethos für Weltpolitik und Weltwirtschaft, München-Zürich

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Rittberger V. (2002): Konflikt- und Gewaltpotentiale in den Weltreligionen? - Politikwissenschaftliche Perspektiven, in: Hempelmann R.(Hrsg.), Religionen und Gewalt, EZW-TEXTE 2002 Nr. 167, Berlin 2002, 3-13

Rittberger V.-Hasenclever A. (2000): Religionen in Konflikten-Religiöser Glaube als Quelle von Gewalt und Frieden, in: Politisches Denken - Jahrbuch 2000, Stuttgart-Weimar 2000, 35-60

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Tibi B. (1999): Krieg der Zivilisationen, Hamburg

Wendt A. (1999): Social Theory and International Politics, Cambridge

Teil IV Friedenspädagogik

Friedenspädagogik

Theorie, Praxis und Perspektiven

Vorbemerkung

Der vorliegende Beitrag als Schlussarbeit des Fernlernganges 2019/2020 "Nachhaltige Entwicklung" des Comenius - Instituts Münster der Evangelischen Arbeitsstelle Fernstudium - mit Ergänzungen - setzt sich mit dem Bildungsansatz "Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE)" auseinander.

Es handelt sich um ein Lern-und Handlungsfeld, das 1992 in der Folge der Rio-Konferenz entstand. Die UN - Mitgliedsstaaten bekannten sich zum Leitbild einer Nachhaltigen Entwicklung in ihren Bildungssystemen. in der Folge wurde 2005-2014 die "Weltdekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung " ausgerufen.

Der Beitrag bezieht sich auf den Teilbereich Friedenslernen bzw. Friedenserziehung und Friedensforschung.

Dem Autor liegt dieser Schwerpunkt im Kontext einer Politischen Bildung und Demokratieerziehung durch seine Aktivitäten in der universitären Lehrer(innen)Bildung und Politischen Erwachsenenbildung besonders (vgl. HUFER 2016).

Der Wandel hin zu einer nachhaltigen Welt erfordert ein Umdenken, etwa in der politischen Verantwortung, benötigt werden globale politische Vereinbarungen über eine gerechtere Nutzung der Lebensgrundlagen und notwendige Möglichkeiten von Lebenschancen. Veränderungen beginnen schon im Kleinen, im Alltag und einem Umdenken (vgl. MEISCH 2014; KÖRTNER 2019, 185-209).

Damit erhalten die Bildungsbereiche pädagogische Aufgabenstellungen für ein Erlernen eines Umdenken, ebenso ihre Ausbildungsbereiche und Fortbildungs- und Weiterbildungsinstitutionen.

Die folgenden Lernformen ergeben sich:

  • problembasiertes Lernen,
  • Lernen in Fachdisziplinen,
  • interdisziplinäres Lernen,
  • kritisches Lernen und
  • system-basiertes Lernen.

Einleitung

Friedenslernen in seiner pädagogischen Einschätzung geht von gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen aus, in denen Heranwachsende und Erwachsene aufwachsen und leben.

Stephan GILL war in seiner Analyse von GRIMSCI noch von der Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre, dem Zusammenbruch der liberalen Demokratie, dem Aufstieg des Faschismus und dem sowjet-kommunistischen System beeinflusst. Aktuell ist der neoliberale Kapitalismus mächtig und vorherrschend. Von Interesse ist das Fehlen bzw. eine mangelhafte Organisationskraft alternativer Programme von linksgerichteten politischen Strömungen (vgl. GILL 2011, 265).

Gill beschreibt die weltpolitische Lage in ihrer derzeitigen Art und Weise beispielhaft mit der Ausbeutung von Menschen und der Natur, massiven globalen Problemen wie ein rapides Bevölkerungswachstum, die Zerstörung der Biosphäre, dem Klimawandel, hochentwickelten Produktions- und Zerstörungskräften, der Militarisierung des Weltalls, der Blockadepolitik in den Klimaverhandlungen, der Konzerndominanz, der Welternährungskrise und der Privatisierung öffentlicher Güter/Wasser, Boden, natürliche Ressourcen (vgl. GILL 2011, 267).

Wesentlich erscheint bei dieser Analyse die Dominanz ökonomischen Denkens auf das soziopolitische Leben zu sein.

Gefordert ist der Kontext zu Ursprüngen ethisch-moralischer und friedenspädagogischer Lehr- und Lernerfordernisse.

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen sind die

  • Absolvierung der Universitätslehrgänge Politische Bildung/ Universität Salzburg - Klagenfurt (2008) und Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg (2012),
  • Lehraufträge an den Universitäten Wien/Vorberufliche Bildung (1990/1991-2010/2011) und Salzburg/ Lehramt Geschichte - Sozialkunde - Politische Bildung - Didaktik der Politischen Bildung (2016, 2018),
  • inhaltliche Auseinandersetzung mit den Fachbereichen Ethik, Friedensforschung, Politische Bildung und Interkulturelle Kompetenz, die daraus folgenden IT - Autorenbeiträge, ökosoziale Erziehung (vgl. WAGERER 1992) und Musterforschung (vgl. LEITNER 2016) sowie
  • Auseinandersetzung mit der Fachliteratur.

1 Friedenspädagogik - Kultur des Friedens

Die beschriebenen Entwicklungen sind Ausgangspunkt von verbesserungswürdigen Perspektiven für eine Friedenspolitik.

Zudem stellt sich die Forderung nach einer einhergehenden Friedenserziehung in Verbindung mit Friedenslernen und einer entsprechenden Politischen Bildung-Ethik, die Wissen und Kompetenzen für die Umsetzung vermittelt (vgl. GRASSE-GRUBER-GUGEL 2008, WULF 2008, WINTERSTEINER 2005/2008/2011).

1 Europäische und internationale Organisationen vermitteln diese Bildungsziele in Programmen und Dekaden für Projekte.

2 Die UNESCO vermittelt eine Kultur des Friedens und der "Global Citizenship Education" (vgl. WINTERSTEINER/ GROBBAUER/ DIENDORFER/ REITMAIR-JUAREZ 2014). Der Europarat setzt sich vehement seit seiner Gründung für Menschenrechte und Frieden unter Beteiligung der jungen Gesellschaft ein.

3 In der UN-Kinderrechtskonvention ist der Schutz der Kinder, die Beachtung ihrer Meinungen und der Beteiligung in der Gesellschaft festgeschrieben.

4 Im ökumenischen Bereich setzt der Weltkirchenrat Initiativen zur Förderung friedenspolitischer und religiöser Impulse, beispielhaft 2019 in Palästina und Israel.

Aus diesen vier Programmen ergibt sich die Forderung nach einer zeitgemäßen Friedenserziehung und damit einer Friedenskultur. Dies allein wird in einer Welt mit organisierter Friedenslosigkeit pädagogisch einen Beitrag leisten.

Zu beachten sind daher Bedingungen der Sozialisation, inter- und transkulturelle Bedingungen, der Bildung und des alltäglichen Umgangs mit sozialer Gerechtigkeit (vgl. GRUBER 2016, 58-59).

Friedenserziehung bzw. Friedenslernen ist Lehren und Lernen zu Demokratie und Menschenrechten, demnach gegen Menschenfeindlichkeit, Obrigkeitshörigkeit und Machtmissbrauch.

Ethisch - moralische Aspekte gehören in sensible Erziehungs- und Lernprozesse, die gesamtgesellschaftlichen Charakter haben.

Im internationalen Kontext erhält das Friedenslernen eine größere Bedeutung. Dies zeigt sich in friedenspädagogischen Interventionen in Nachkriegsregionen in Form eines Rückgangs von Gewalt (vgl. GRASSE - GRUBER - GUGEL 2008). Damit ergibt sich die Verbindung von Friedenspädagogik und Friedensforschung.

2 Friedenstheologische Aspekte

Für einen Nicht - Theologen sind die Beiträge im Friedenstheologischen Lesebuch des Präsidiums der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, hrsg. durch das Kirchenamt der EKD (2019), eine Fundgrube für religionspädagogische Überlegungen und Ergänzungen einer Politischen Bildung und im interkulturellen Kompetenzbereich im kulturell-religiösen Themenfeld.

Von Interesse für den Autor ist die biblische Grundlegung für Friede für den Menschen (vgl. DIETRICH 2019, 43-52).

1 Für den Menschen der biblischen Zeit und wohl aller Zeiten ist Friede ein ersehntes Gut.

2 Das ökonomisch schwache Land Israel war zumeist ein Spielball im Kampf der Großmächte. Das frühe Christentum war kein nennenswerter Machtfaktor.

3 Der nächstliegende Weg für eine Sicherung des Friedens war der militärische Weg. Religiös militärischen Stolz zeigen die Ps 44,6 und 60,14.

4 Hosea warnt vor militärischer Friedenssicherung (Hos 10, 13).

5 In der jungen Christenheit gab es unter Kaiser Konstantin christliche Armeen, viele Kriege, etwa mit den mittelalterlichen Kreuzzügen und in der Folge bis in den Ersten Weltkrieg mit "Gott, Kaiser und das Vaterland".

6 Daneben spielt der politische Weg eine Rolle, etwa unter König Salomon (1 Kön 5.5, Ps 72, 8,11).

7 Der religiöse Weg, im Vertrauen auf Ihwh, man denke an die Errettung am Schilfmeer (Ex. 15,21). Die Zionslieder des Psalters sind bekannt (Ps. 76, 2-4).

8 Die biblische Antwort auf eine Verneinung von Macht für einen wahren Frieden lautet auf Gerechtigkeit, im Ps 72, 3 Psalm, in der Verheißung "Schwerter zu Pflugscharen". In Jes 32,17 liest man eine weitere messianische Weissagung. Wohl besonders schön ist die Formulierung im 85. Psalm.

3 Aspekte einer Friedensethik

Die gegenwärtige Rückkehr zu geographischen Kategorien in der internationalen Politik und damit Schwächung internationaler Organisationen erfordert neue Perspektiven der Friedensethik,

mit staatlichen Aufgaben, Sicherheit zu garantieren, einem Minimieren von Gewalt,

insbesondere im Bildungsbereich Orientierung für politisches Handeln in komplexen Kontexten zu ermöglichen.

Die folgenden Aspekte bedürfen in einem Zeitalter der Unsicherheit einen neuen friedensethischen Kontext, beispielhaft Aspekte militärpolitischer Veränderungen,

Stärkung des Multilaterismus, gewaltfreie Konfliktbearbeitungen,

Selbst-und Bündnisverteidigung sowie Bündnissolidarität.

Zur Diskussion stehen Präventionsmaßnahmen, zivile Konfliktbearbeitung und militärische Rüstung.

4 Friedensforschung

Friedenslernen benötigt einen umfassenden Friedensbegriff. Bei der Bedeutung von Zielen der Friedens- und Konfliktforschung bedarf es nach dem heutigen Stand neben einer Forschung für den Frieden ergänzend auch einer Forschung über den Frieden (vgl. GRUBER 2016, 60-63).

4.1 Inhalte und Rolle

Friedenspädagogik wird im deutschsprachigen Raum zumeist als Theorie der Friedenserziehung verstanden.

Der Friedenserziehung wird das Praxisfeld zugeordnet. Mitunter wird auch Friedenserziehung als Obergriff von Theorie und Praxis bezeichnet.

Im angelsächsischen Raum wird die Theorie und Praxis der Friedenserziehung allgemein unter den Begriff "peace education" geführt.

In jüngster Zeit gibt es weitere Begriffe in der Debatte, um einer sich wandelnden Gesellschaft gerecht zu werden. Dabei werden die Begriffe Friedensbildung und Friedenslernen verwendet.

Friedensbildung wird aktuell in Deutschland im kirchlichen Bereich verwendet (vgl. DOSCH 2014).

Friedenslernen ("learning peace") als Begriff findet international den Anschluss an peace building-Aktivitäten als Friedenskonsolidierung nach Kampfhandlungen. Damit bezieht man sich auf die Bewältigung der Konsequenzen von Kriegen und Konfliktursachen (vgl. SCHNECKENER 2005, 18-20).

Die Ausweitung des Begriffs als Paradigma einer "Kultur des Friedens" erscheint sinnvoll.

4.2 Annahmen

Friedenspädagogik beruht auf zwei Annahmen.

  • Die Konzeption geht von der Beeinflussung (Erziehung) von Verhalten, Einstellungen und Meinungen durch Bildungs- bzw. Lernprozesse aus.
  • Lernprozesse beeinflussen Demokratieentwicklung, Abbau von Feindbildern-Vorurteilen-Stereotypen, Ablehnung von Gewalt, Gleichberechtigung und Konfliktlösungskonzepten.

4.3 Fach- und Handlungskompetenz

Als Fachbereiche gelten

  • Politische Bildung/ Demokratiepädagogik - Menschenrechtsbildung,
  • Interkulturelle Kompetenz/ Globales Lernen und
  • Ethik (vgl. GRUBER - GAMAUF - DORFSTÄTTER 2014, 8-10; GRUBER 2016, 63; DICHATSCHEK > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Ethik).

5 Problemfelder

Im Folgenden werden die relevanten Problemfelder einer Friedensforschung, der notwendigen Friedenspädagogik und in der Folge eines Friedenslernens benannt (vgl. ausführlich GRUBER 2016, 66-69; GRUBER- GAMAUF - DORFSTÄTTER 2014, 102-108; FRIETERS - REERMANN/ LANG - WOJTASIK 2015, 209-225).

  • Demokratisierung der Bildungsinstitutionen - soziale Herkunft-didaktische Umsetzung/kultur- und konfliktsensible Bildung- Lernorte: Schule - Erwachsenenbildung (vgl. DICHATSCHEK 2017abc).
  • Theoretische Basis - Komplexität des Fachbereichs-interdisziplinäre Zusammenarbeit
  • Lernarrangements für Friedenslernen im internationalen Kontext - Lernmodelle (vgl. JÄGER 2014, 6).

5.1 Neorientierung - Interdisziplinarität

Als Beitrag zum Diskurs bedarf es einer Analyse der ambivalenten Beziehungen der Friedensforschung zur politischen Macht.

Die folgenden Daten in den zitierten Berichten beschäftigen sich mit den Krisenregionen und sprechen eine deutliche Sprache (vgl. den Bericht 2015 des Global Peace Index und im Civility Report 2015; bundesdeutsches Gutachten; WINTERSTEINER - WOLF 2016, 17-19).

1 Zu erwähnen ist das Jahr 2014 als besonders konfliktreiches. Zu diesem Eindruck tragen die geographische Nähe des Konflikts in der Ukraine und die Grausamkeiten des IS im Irak und in Syrien und das Anwachsen des Terrorismus bei.

2 Das Anwachsen von Friedensbemühungen zeigt sich in den Begrifflichkeiten wie "Peacebuilding" und "Humanitarian Intervention".

3 Dahinter steht das Paradigma Sicherheitslogik. Gesetzt wird realistisch auf militärische Mittel, also in der Logik in Verbindung mit Gewalt.

4 Friedensforschung, Friedenslernen im Kontext mit Politischer Bildung entstanden lange nach 1945, verortet relativ spät im Kontext mit der Gründung der Institute von Zeitgeschichte, Politikwissenschaft und dem wissenschaftlichen Beitrag zur Gesellschaftsveränderung.

5 Friedensforschung beinhaltet eine Auseinandersetzung mit relevanten Theorieangeboten, besonders mit dem Postkolonialismus, Sozialtheorien und dem Feminismus.

Die Formen der Kriege haben sich stark gewandelt. Ein Nicht - Frieden, theoretisch schwer zu erfassen, scheint sich etabliert zu haben (vgl. MÜNKLER 2015).

5.2 Fünf Thesen für einen Diskurs

Im Folgenden werden fünf Thesen modifiziert als Fundamentum eines gesellschaftspolitischen Diskurses vorgestellt (vgl. WINTERSTEINER - WOLF 2016, 24-33).

These 1: Friedensaktivitäten sind nicht geeignet als ein Anhängels eines liberalen Friedens.

Ein liberaler Frieden ist das dominierende Konzept von Frieden in der westlichen Welt.

Er besteht in der Annahme, dass die demokratischen Strukturen gefördert und einer Marktökonomie die Basis einer friedlichen Gesellschaftsordnung bieten.

Er tritt in mehreren Varianten auf und geht bis zur "Humanitären Intervention" im Interesse demokratischer Friedenssicherung.

Damit fließen Elemente einer realistischen Sicherheitspolitik und menschenrechtlicher Einflussnahme zusammen. Das bedeutet eine Abkehr vom westfälischen Paradigma, indem eine Hauptbedrohung des Friedens von einem starken gegnerischen Staat angenommen wird.

Heute rückt die Bedrohung von schwachen und gescheiterten Staaten in den Vordergrund.

Staatlichkeit wird von bestimmten Voraussetzungen gesehen (vgl. das zivilisatorische Hexagon von SENGHAAS 1995 - Gewaltmonopol - Rechtsstaatlichkeit - Demokratische Partizipation - Konstruktive Konfliktkultur - Soziale Gerechtigkeit - Interdependenzen und Affektkontrolle) gesehen.

Überlagert wird der Friedensbegriff von sicherheits- und entwicklungspolitischen Diskursen, die praktischen Folgerungen werden kritisiert wie die Negativbeispiele Irak, Afghanistan und Ukraine (vgl. BOHNACKER 2011, 46-77).

These 2: Friedensaktivität muss im Kontext postkolonialer Kritik stehen.

Die Forschung und ihre Aktivitäten tragen die Markierung ihrer Herkunft mit.

Eurozentrisches Denken, als Alternative versteht sich die Kritische Friedensforschung, inzwischen gibt es eine postkoloniale Kritik (vgl. EXO 2015, 281-304). Friedensforschung benötigt auch die Kenntnis von interkultureller Gerechtigkeit (vgl. SEN 2010).

In der Folge geht es um globales und transmodernes Denken (vgl. MORIN 2015).

Wesentlich ist die Überwindung der Dichotomie zwischen Kultur und Ökonomie durch die Aufgabe des Dogmas vom Primat des Ökonomischen. Dies bedeutet - auch für eine Politische Bildung - ökonomische, politische und kulturelle Prozesse zu beachten (vgl. WINTERSTEINER - WOLF 2016, 28).

These 3: Friedensaktivitäten benötigen einen interdisziplinären Ansatz

Diese Perspektive ergibt sich aus dem globalen Aspekt (vgl. den IT - Autorenbeitrag Globales Lernen).

Die Einbeziehung nicht -wissenschaftlicher Wissensformen, etwa der Kontext von Kunst, Wissenschaft und Spiritualität mit "indigenem" Wissen (vgl. EXO 2015).

Notwendig ist damit die Abkehr von der säkularen eurozentrierten Tradition und der klassischen Trennung von Kultur- und Sozialwissenschaften, Politikwissenschaften und Ökonomie. Demnach ist ein Paradigmenwechsel überfällig.

Verbindlich bleiben soziale, historische und raumzeitliche Bedingungen (vgl. GRAF 2014, 231-238). Hier erscheint die zunehmende Bedeutung der Kulturwissenschaften wesentlich zu werden.

These 4: Das Zeitalter der Globalisierung braucht komplexes globales Denken

Frieden muss/ kann nur weltinnenpolitisch realisiert werden.

Ein großer Globalentwurf wird kaum möglich sein, viele kleine Schritte sind dagegen realistisch.

Global Gouvernance ist kritisch zu begegnen, die impliziten Machtansprüche sind offenzulegen (vgl. BRAND - BRUNNENGRÄBER - SCHRADER - STOCK - WAHL 2000).

Ein Konzept der "global citizenship" kann helfen, bestehenden Globalkonzepten kritisch zu begegnen (vgl. damit die zunehmende Bedeutung von "global citizenship education"/ UNESCO; für Österreich WINTERSTEINER - WOLF 2016, 318-332).

Die Dialektik zwischen Lokalem, Nationalem und Globalem kann nur mit dem didaktischen Dreischritt Individuum - Gesellschaft - Einheit der Menschheit in den einzelnen Bildungsbereichen angesprochen werden.

These 5: Friedensmacht Europa

Die angeführten Schritte eignen sich auch für eine Bearbeitung im Kontext europäischer Fragen, die lokal-regional-global gedacht werden sollen/ müssen.

Das Projekt Friedensmacht Europa, nach 1945 konzipiert und realisiert, soll von der Friedensforschung auf den Widerspruch eines friedenspolitischen Anspruchs und der Realität von gesamteuropäischen und nationalstaatlicher Realität analysiert werden.

Es geht letztlich um eine nachhaltige Friedenspolitik in den geopolitischen Bedingungen.

Die Krise Europas besteht in den Konfliktlösungen an den Grenzen der Union, in der Notwendigkeit einer verstärkten Integration, im geringen Anspruch auf eine gemeinsame Außenpolitik im Kontext einer US - Außenpolitik und Verzicht von Interventionen der Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien.

Zur Diskussion steht die Friedensmacht, ausgezeichnet mit dem Friedensnobelpreis 2012.

Aufgaben ergeben sich in der Destabilisierung des Nahen Ostens und dem Ukraine - Konflikt, den damit verbundenen Fluchtbewegungen, einem Aufleben des Terrorismus und Uneinigkeit in der Union.

Eine selbstkritische Haltung zur Kolonialpolitik und Verteidigung demokratischer Werte ist geboten.

Die folgenden friedenspädagogischen Ansätze bilden die Ansätze des Autors für einen Fächerverbund von Politischer Bildung und Ethik im Lernfeld einer Schul- und Erwachsenenpädagogik (vgl. die verschiedenen Formen wie tertiäre und quartäre Erwachsenenpädagogik[hier besonders Politische Erwachsenenbildung]).

6 Gestaltungsethik - Musterforschung (Helmut Leitner)

6.1 Begrifflichkeit

Gestaltungsethik und Musterforschung sind Formulierungen einer wissenschaftlich-systemtheoretischen Bewegung, die auf das Lebenswerk des österreichisch-englisch-amerikanischen Architekten Christopher Alexander aufbaut und sich wesentlich synthetisch-integrativ versteht (vgl. LEITNER 2016).

Gestaltungsethik und Musterforschung sind in Domänen anwendbar, in denen Menschen im weitesten Sinne kreativ tätig sind, als Gestalter ethische Haltungen einnehmen können, alternative Gestaltungsmöglichkeiten vorfinden oder entwickeln – die sich theoriegemäß in Gestaltungsmustern darstellen und in Mustersprachen zusammenfassen lassen – und die zu Gestaltungsergebnissen führen, Werte verwirklichen und mit Verantwortung verbunden sind.

6.2 Mustertheorie - Frieden

Aus der Perspektive der Musterforschung erscheint Friede nicht als ein Zustand, schon gar nicht als die Abwesenheit von Konflikten und Krieg, sondern als eine zivilisatorische Architektur, eine aus vielen Elemente gebaute Struktur, die Stabilität und Resilienz haben kann, jedoch auch fragil und einsturzgefährdet sein kann.

Daraus kann man den Schluss ziehen, dass es einer laufenden Aufbau- und Erhaltungsarbeit bedarf, um Frieden zu schaffen und zu abzusichern, die von einem Spektrum von Rollen - Bildern und Berufsgruppen zu leisten sind, die man u.a. als Friedens - Arbeiter (peace worker), Friedens - Architekten (peace architects), Friedens - Erbauer (peace builder), Konflikt - Mediatoren (conflict mediators) beschreiben lassen.

Angesichts der Bedeutung des Friedens für die Menschen, die Menschheit, ist es aus Sicht der Musterforschung und Gestaltungsethik nur schwer verständlich, warum die menschlichen Gesellschaften – historisch gesehen und gegenwärtig – nicht mehr Energie aufwenden, um das Frieden als Phänomen zu verstehen und als Menschheitsprojekt zu realisieren.

Es wäre beispielsweise zu erwarten und zu fordern, dass jede Volluniversität über eine Institution der Friedens- und Konfliktforschung verfügen bzw. einen solchen aufbauen solle.

Sub - Domänen - Skizze zu „Muster des Friedens”
Sub-Domäne Mustersprachen (Beispiele für ca. 300) Gestaltungsmuster (Beispiele für ca. 5000)
Muster des inneren FriedensMuster der Selbsterkenntnis
Muster der Selbstarbeit
Muster der Meditation
"Niemand ist perfekt"
"Das Lernen lernen"
"Die Atemtechnik"
Muster des friedlichen HandelnsMuster der friedlichen Kommunikation
Muster der Notfallhilfe
Muster des Teilens
"Das Angebot" (statt Antimuster: "Der Befehl")
"Erste Hilfe Leistung"
"Die karitative Spende"
Muster des Friedens mit der NaturMuster des Naturgenusses
Muster einer Ökologischen Wirtschaft
Muster des Artenschutzes
"Das Bergerlebnis"
"Erneuerbare Energie"
"Das Naturschutzgebiet"
Muster des Friedens in BeziehungenMuster der Zusammenarbeit"Das Versprechen"
"Treue und Offenheit in Partnerschaft"
"Das Vertrauen"
"Die Augenhöhe"
Muster des Friedens in FamilienMuster der Selbstbestimmung in Familien
.-.
"Die freie Partnerwahl"
"Die freie Berufswahl"
"Die freie Religionswahl"
Muster des Friedens in GruppenMuster der Gesprächskultur
Muster der Musik
Muster des Sports
"Jeder wird gehört"
"Das gemeinsame Musizieren"
"Magische Momente in Gemeinsamkeit"
Muster des Friedens in GemeinschaftenMuster der Organisation
.-.
.-.
"Mitgestaltung durch Mitglieder"
"Freiwilligkeit der Mitgliedschaft”
"Eine kollegiale Atmosphäre"
Muster des Friedens in GesellschaftenMuster der Existenzsicherung
Muster der Gerechtigkeit
"Die allgemeine Krankenversicherung"
"Chancengleichheit im Bildungssystem"
"Das Soziale Netz"
"Das Recht auf Integration"
"Bedingungsloses Grundeinkommen"
"Ethik des Tätigseins für die Allgemeinheit"
Muster des Friedens zwischen StaatenMuster der Diplomatie
Muster der wirtschaftlichen Zusammenarbeit
"Das Im-Gespräch-Bleiben"
"Der Freie Warenverkehr"
Muster des Friedens zwischen ReligionenMuster der religiösen Toleranz
.-.
Muster einer gemeinsamen Ethik
.-.
"Die gemischt-religiöse Ehe"
"Die gemischt-religiöse Veranstaltung"
"Du sollst nicht töten"
"Alle Menschen sind Geschwister"
Muster des Friedens im Story-TellingMuster des Märchens
Muster des Friedenslieds
Muster des Antikriegsfilms
"Das gute Herz obsiegt"
"Ein starkes Wir-Gefühl"
"Die Sinnlosigkeit des Kriegs"
Muster von Theorien des FriedensMuster der Konflikttransformation
Muster der Synergie
"Die Rolle des Mediators"
"Gemeinsam sind wir stark"
"Leben ist Vielfalt"
... (offene Liste) ...

Friede ergibt sich logisch und zwangsläufig als Rückgrad der zivilisatorischen Entwicklung der Menschheit im größeren Rahmen der Evolution des Lebens bzw. der Natur.

6.3 Friedensunterricht

Angesichts der Reichhaltigkeit des sich ergebenden Themenspektrums drängt sich die Erkenntnis auf, dass der diskutierte Ethik - Unterricht an Schulen - der als eine Art säkularisierter Religionsunterricht auf einen pluralistischen Religions -Ethik - Unterricht zur wechselweisen Kenntnis und Toleranz limitiert ist – wohl besser durch einen Friedensunterricht zu ersetzen wäre (vgl. die Möglichkeiten einer standortgebundenen bzw. regionalgebundenen Schulentwicklung) .

6.4 Buchbesprechung

Helmut Leitner: Mustertheorie. Einführung und Perspektiven auf den den Spuren von Christopher Alexander, 2. ergänzte Auflage 2016, Graz, ISBN 978-3-9504247-0-6

Mit 154 Seiten erhebt das Buch den Anspruch, eine Einführung in handlicher Form anzubieten. Die Verallgemeinerung und Verdichtung der Mustertheorie sei gewagt. Es bestehe die Chance auf Klarheit und die Möglichkeit, mit einem kurze und übersichtlichen Text mehr Leser zu erreichen. Natürlich bestehe auch das Risiko einer unzulässigen Vereinfachung. Der vorliegende Text solle als Interpretation aufgefasst werden (S. 8). Dieser Intention kommt der Autor in seiner klaren und verständlichen Sprache - allein schon in der Einleitung - nach (S. 9-14).

Im Vorwort wird für den Leser einführend die Mustertheorie dargelegt (S. 6-8).

"Muster" steht für eine neue wissenschaftliche Denkweise, um die Welt besser zu verstehen und für eine neue Methode zur Gestaltung lebendiger Systeme. "Lebendig" meint eine graduelle Lebendigkeit. "Graduell" bedeutet diese Lebendigkeit allen Dingen in entsprechendem Ausmaß zuzuschreiben. Die "Mustertheorie" stellt ein umfassendes Konzept für alle Bereiche des Lebens dar. "Je nach Blickwinkel kann man auch die Begriffe Leittheorie, Denkweise, Methode oder Paradigma verwenden" (S. 6).

Entgegen den umfassenden Problemen des 21. Jahrhunderts in Politik, Wirtschaft, Ökologie und dem Sozialbereich bietet die Alexander'sche Denkweise Möglichkeiten zur Lösung dieser Probleme. Jedermann kann die Konzepte verstehen und als Mittel in seinen Interessenbereichen verwenden (vgl. Kapitel 6.2; vgl. dazu auch die Analytische Ethik von FRANKENA in seinem Anspruch der Allgemeinheit im IT - Autorenbeitrag Ethik > http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Ethik).

Im Folgenden wird auf den Aufbau des Buches eingegangen, der didaktisch sehr strukturiert und verständlich konzipiert ist.

In der Einleitung werden Ausgangspunkte der Kritik angeführt (S. 9-12). Für den Leser kritisch zu betrachten ist die Aussage des Buchautors, "[...]Wissenschaft ist nach wie vor eine Disziplin, die den Menschen kaum Antworten auf ihre Lebensfragen gibt" (S. 11) (vgl. beispielhaft die Aussagen der Ethikdisziplinen; der Erkenntnisstand der Medizin, Pflegewissenschaft, Erziehungswissenschaft - Pädagogischen Psychologie, Religionspädagogik und Familienwissenschaft).

Das Ziel, eine Wissenschaft des Lebens zu entwerfen, wird mit der Problematik fehlender Werte, der Alexander'schen Analogie zwischen den gewachsenen Ordnungen, gemeinsamen Bedingungen, der Lebendigkeit, Qualität des Lebens und Problemlösungsmustern begründet (S. 12-14).

Als Ausgangspunkte der Mustertheorie gelten die Wirkung der physikalischen Strukturen der Welt als Rahmen für die Aktivitäten der Menschen, wobei die Architektur den Menschen stark beeinflusst.

Negativ wirkt Stress und der Verlust an Problemlösungskapazität bzw. der Verlust der Fähigkeit, angemessen zu handeln. Mit der Gestaltung einer lebensgerechten Umgebung wird ein Maximum an Lebensqualität und Freiheit ermöglicht (S. 15-16).

Kritisch wird das mechanistische Weltbild gesehen (S. 17-18).

Mit dem Verständnis von Leben meint Alexander gemischte Systeme mit verschiedensten Komponenten. Das ganzheitliche Konzept ergibt sich aus dem Verlangen, die Welt als System zu verstehen und ihre Ganzheit zu entwickeln und zu entfalten. Leben als allgemeines Phänomen hat typische Erscheinungsformen, angepasst an Situationen, individuell, mit Ecken und Kanten. Dies klingt einfach, ist aber nicht ohne weiteres zu etablieren (S. 19-22).

Alexander fordert passende Konzepte zur Beschreibung von Ordnungen in der Natur und wendet sich gegen eine Analyse. Man benötigt sprachliche Grundbegriffe, um über die Phänomene der Welt synthetisch sprechen zu können. Objekte einer Untersuchung sind etwa die Natur, die Kunst und Architektur. Gesucht ist ein Neudenken des Objektiven und Subjektiven, eine Verbindung von Intellekt und Gefühl (S. 22-24).

Im Kapitel "Die Mustertheorie" wird didaktisch durchdacht sich vom einfachen zum komplizierten und vom statischen zum dynamischen Konzept durchgearbeitet. Es geht um die Grundbegriffe "Zentrum und Ganzheit", "Eigenschaften des Lebens" und "Wahrnehmung", "Transformation und Prozesse" und schließlich "Muster und Mustersprache" (S. 25-82).

7 Ökosoziale Erziehung

Der Schutz von Natur und Lebensraum ergibt das Ziel der Berechtigung ökosozialer Erziehung als Fachbereich und pädagogischen Auftrag (vgl. WAGERER 1992, 83-99).

Interdisziplinär ergeben sich verschiedene Dimensionen als Bildungsauftrag, die das allgemeine Verständnis vertiefen sollen.

7.1 Begründung einer ökosozialen Erziehung

Tendenzen ergeben sich aus der Geistesgeschichte und anthropozentrischen Tendenzen.

Unter dem Blickwinkel von Philosophie, Naturwissenschaften, Friedensforschung und Anthropologie erweist sich die Umweltkrise als eine Wertkrise. Anzustreben sei Humanität als allgemeiner Wert (vgl. BUBOLZ 1985, 38).

Geistesgeschichte

1 Im griechischen Denken am Beginn der jonischen Naturphilosophie tritt an die Stelle des Mythos der Logos, anstelle des Gefühls die Ratio und an die Stelle der Götterwelt die Gesetzmäßigkeiten der Ursachen. Zudem wird bei Cicero gesehen, dass alle Einrichtungen der Götter und Menschen zum Nutzen der Menschen ersonnen und ausgeführt werden (vgl. BUBOLZ 1985, 39).

2 Anthropozentrisches Denken erkennt man besonders deutlich im Marxismus. Hier ist der Mensch nicht das Kind der Natur, sondern sein Wesen ist das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse. Es geht um die Beherrschung der Natur durch den Menschen.

3 Neben Goethe ist Schopenhauer als Vertreter einer biozentrischen Denkweise zu nennen. Albert Schweitzers Ethik, zum Leben die gleiche Ehrfucht entgegenzubringen wie dem eigenen, ergibt eine ins Grenzenlose erweiterte Ehrfucht vor dem Leben.

4 Gesellschaftspolitische Perspektiven weisen auf den Diskussionsgegenstand der Umweltfragen hin.

5 Die Umweltproblematik der siebziger Jahre hat sich zu Umweltfragen mit politischer Relevanz entwickelt. Bürgerinitiativen, Dritte - Weltgruppen, Friedensbewegungen und Religionsgemeinschaften beschäftigen sich mit Umweltfragen.

6 Als Warnung vor Umweltkatastrophen machte 1963 Rachel Carson mit ihrem Buch "Der stumme Frühling" sich zum Feind der Industrie (vgl. CARSON 1963/2013).

7 Im europäisch-amerikanischen Kulturkreis mit seinem Pluralismus und kurzzeitigen Wahlzyklen herrscht Kurzlebigkeit und Hektik. Ölfelder-Brände, ökologische Desaster, lebensbedrohliche Ereignisse vs. verdrängte Ängste durch die Routine des Vergnügens, des passiven Konsums von Bildern in den täglichen Massenmedien sind Phänomene des ständigen Auswechselns von routinierten Aktivitäten in Beruf, Arbeitswelt und Alltag.

Wachstumsgesellschaft

Die Wachstumsdoktrin als Leitgedanke der Wachstumsgesellschaft durchdringt nicht allein wirtschaftspolitische, vielmehr auch gesellschaftspolitisches Denken. "Small ist beautiful" leistet einen Beitrag, in neuen (alten) Dimensionen zu denken.

1 Die Subjektivität im Weltbild Heranwachsender und Erwachsener weist auf eine Reflexion der Bildungsaufgaben hin.

2 Relativistische Strömungen haben das Vertrauen in ethische Werte, insbesondere bei Heranwachsenden, genommen. Zunehmend besteht die Gefahr eines Nihilismus. Ethik als Basis eines ausgeglichenen Lebens und einer Auseinandersetzung mit entstandenen Wertvorstellungen erhält eine vermehrte Bedeutung (vgl. den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Ethik).

3 Im Sinne der bisherigen Ausführungen sollte die ökosoziale Erziehung nicht als "Katastrophenpädagogik" verstanden werden. So wie man nicht Gesundheitserziehung ausschließlich unter dem Aspekt von Krankheit sehen kann, darf nicht der Eindruck entstehen, dass man sich um die Natur und den Lebensraum nur dann kümmert, wenn diese zerstört werden oder worden sind. Die Beschäftigung mit der intakten Natur und der damit verbundenen Faszination und Freude könnte mehr in den Vordergrund treten und zu einem ausgeglichenen Leben beitragen. Fördern, ermuntern und helfen sind zutiefst pädagogische Intentionen.

4 Der Beitrag der Erziehungswissenschaft als Bezugswissenschaft im Kontext mit Ethik sollte vermehrt beachtet werden.

5 Anthropologische Erklärungsmuster der Ökopädagogik helfen, die Lehrpraxis besser zu gestalten.

6 Methoden der Selbstfindung und Lebensgestaltung in einer friedvolleren Welt sollten aufgezeigt werden. Mit dem Begriff "Mündigkeit" wird Entschlussfähigkeit zu wirkungsvollem Handeln impliziert (vgl. die Intention "Mündigkeit" im Fachbereich Politische Bildung; im Fachbereich Ethik Kants Aufklärungsphilosophie, aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit sich zu befreien).

7 Fehleinsichten und Fehlhandlungen sollten selbstkritisch als umweltproblematische Tatbestände reflektiert werden können. Handlungsalternativen und Problemlösungsstrategien können im Kontext eines aktuellen Wissensstandes aufgezeigt und/oder entwickelt werden (vgl. die Aufgaben eines Projektunterrichts bzw. eines Fächerverbundes).

8 Prinzipien und Leitbilder sollten als Hilfestellungen für konkretes menschliches Verhalten zum Ausdruck kommen.

9 Kants "Kategorischer Imperativ" kann hier so ausgelegt werden, dass man so handeln soll, dass die Evolution und ihre Reichtümer erhalten bleiben sollen und sich entfalten können. Der moralische Imperativ muss so offen und allgemein sein, dass sich spezifische Konsequenzen und Richtlinien für ein Handeln ergeben können.

7.2 Reflexion

Die Zielsetzungen lassen sich als Wertkrise, politisches Programm und gesellschaftliche Strömung rechtfertigen. Die ökologische Problematik wird vielerorts behandelt. Lösungskonzepte sind höchst unterschiedlich zu bewerten. Die pädagogische Herausforderung bleibt bestehen. Die einzelnen Bildungsbereiche sind gefordert.

Das Bild vieler resignativer Heranwachsender und Erwachsener verrät ihre Zukunftsangst und Zukunftsunlust, die mit der Umweltbedrohung - man denke an den Klimawandel - korreliert (vgl. WAGERER 1992, 99). Es mangelt an Selbstkontrolle, Fähigkeit zu Aufschub, Frustrationstoleranz und Selbstdisziplin, obgleich Interesse für Ökologie und Umweltschutz im Unterricht bekundet wird.

Eine Beschäftigung mit der Faszination einer intakten Natur und einem attraktiven Lebensraum wirkt ohne Zweifel negativen Einflüssen entgegen.

Förderlich sind im Kontext einer zeitgemäßen Gesundheitsbildung die Aspekte der psychischen, mentalen und physischen Gesundheitserziehung. Damit erweist sich ökosoziale Erziehung von Lernenden her als Beitrag zur persönlichen Psychohygiene i.w.S.

Von der Erziehungswissenschaft und Ethik sind ökopädagogische Zielsetzungen gerechtfertigt, weil sie als erzieherische Intention präventiv als Vermittlerfunktion von Mensch zu Natur und kurativ als Ideenbörse mit Handlungs- und Problemlösungsstrategien wirksam werden.

Ökosoziale Intentionen richten sich und erfordern Engagement, Wissen, Haltungen, soziale und individuelle Verantwortlichkeit. Sie sind ein Beitrag zu gesellschaftlichem Ausgleich, Lösungskompetenz, Wertebezug, Ambiguitätstoleranz und letztlich Mitmenschlichkeit.

8 Global Citizenship Education

Für die Politische Bildung und Interkulturalität von besonderem Interesse ist der Bildungsansatz, der die Zugehörigkeit und Verantwortung zur/ für eine menschliche Gemeinschaft in einer Weltgesellschaft betrifft (vgl. GROBBAUER 2016, 318-332).

8.1 Basis

Basis bilden eine weltoffene Grundhaltung, Begegnungen mit Menschen unterschiedlicher Herkunft, weiter kultureller Kulturaustausch und Bildung sozialer Netzwerke.

Zu bedenken sind Entwicklungen, die eine europäische Einheit in Frage stellen und das europäische Friedensobjekt.

8.2 Pädagogische Herausforderungen

Die pädagogische Herausforderung (Friedenspädagogik) global orientierter Bildungsansätze stellt sich (vgl. die entsprechenden IT - Autorenbeiträge; UNESCO 2014) im Konzept Globales Lernen, in der Politischen Bildung, in der ethischen Werthaltung, im Lernfeld Europa/ Friedensprojekt Europa, in der Analyse internationaler Konflikte bzw. Konfliktlösungen und transnationale Wanderungsbewegungen mit Folgerungen.

8.3 Internationale Entwicklungen

Internationale Entwicklungen finden Unterstützung durch die UNESCO (2014), mit der "Global Education First Initiative" von UN - Generalsekretär Ban Ki - Moon (2012) wurde der Bildungsansatz global verbreitet.

  • Bekämpfung von Armut und Hunger,
  • Verringerung von Ungleichheit,
  • Geschlechtergleichstellung,
  • Maßnahmen gegen den Klimawandel und
  • Maßnahmen zu hochwertiger Bildung.

9 Friedensprojekt Europa

Das Projekt der Europäischen Union (EU) hat zu friedlichen Beziehungen und Aussöhnung nach zwei Weltkriegen beigetragen.

Ausgehend von wirtschaftlicher Zusammenarbeit entwickelten sich politische Integrationsprozesse und die EU versteht sich als Wertegemeinschaft für Demokratie, Menschenrechte und Frieden.

Auf globaler Ebene bedarf es einer ständigen Reformbereitschaft, Frieden vorzubereiten (Prävention) und aktiv umzusetzen in engerer Kooperation mit der OSZE und UN0 (Handlungsbereitschaft).

9.1 Vertrag von Lissabon

Artikel 3 des Vertrages von Lissabon (2009) benennt das Ziel der EU, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.

Die EU hat wenig Gestaltungskraft in der Prävention von Gewaltkonflikten in der Nachbarschaft bewiesen (vgl. den Bosnienkrieg, Kosovo und die Ukraine).

Mit der OEZS (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) hat sie in der Balkanregion in der Folge zur Friedenskonsolidierung, Nachsorge und zum Wiederaufbau beigetragen. Der Friedensnobelpreis verschaffte internationale Anerkennung.

In der Folge schuf die EU Instrumente zur Prävention, Diplomatie und Mediation in ihren Institutionen.

Offen bisher ist der Umgang mit Migranten und Flüchtlingen. Widersprüchlich sind die Bereitstellung großzügiger Finanzmittel zur Aufrüstung.

9.2 ERASMUS

Aus der Sicht Politischer Bildung sind die höheren Mittel für Austauschprogramme (ERASMUS) und Projekte erfreulich und sollten vermehrt in Anspruch genommen werden.

ERASMUS umfasst die bisherigen Programme in den einzelnen Bildungsbereichen.

1 Von Vorteil sind die Einbeziehung auch der neuen EU - Mitglieder. Mitunter fehlen gemeinsame Sprachkenntnisse, die Kommunikationsprobleme ergeben.

2 Die Einrichtung von Schwerpunkt - Programmen erleichtert ein Projektziel.

3 Vernetzungen fördern die Kontakte und den gegenseitigen Informationsstand.

4 Basis bildet eine politische, interkulturelle und ethische Kompetenz (vgl. die Bedeutung der Fächer/ Fächerverbund Politische Bildung, Interkulturalität und Ethik).

5 Gefordert ist die Schul- und Erwachsenenpädagogik.

9.3 Minderheitenpolitik

Eine beispielhafte Vorgangsweise (europäische Lösung mit Vorbildwirkung) im Umgang mit der slowenischen Minderheit in Österreich ergab sich 2019 mit der Ernennung einer österreichischen Staatbürgerin/ Politikerin slowenischer Minderheit (Angelika Mlinar) in Slowenien als Ministerin der Slowenischen Regierung (vgl. https://orf.at/stories/3148245 [30.12.2019]).

Die Doppelstaatsbürgerschaft war kein Problem. Aus der öffentlichen Reaktion ergab sich die Schlussfolgerung, dass politisch unkonventionelle politische Vorgangsweisen bei entsprechendem Willen in der EU durchaus möglich sind. Da in Europa in allen Staaten Minderheiten leben, wäre eine solche politisch vertrauensbildende Maßnahme durchaus nachahmenswert bzw. vorteilhaft.

10 Bertha von Suttner

Bertha Sophia Felicita Freifrau von Suttner geb. Gräfin Kinsky von Wohinitz und Tettau war eine österreichische Pazifistin, Friedensforscherin und Schriftstellerin. Sie wurde 1905 als erste Frau mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet (vgl. HAMANN 2002).

1 Für die Historische Politische Bildung ist ihr publizierter Roman "Die Waffen nieder" (1889) von Interesse mit dem Schwerpunkt auf eine friedliche Gesellschaft, der großes Aufsehen erregte.

2 Sie beschrieb die Schrecken von Krieg aus der Sicht einer Ehefrau und machte sie zu einer bedeutenden Vertreterin der Friedensbewegung. Sie traf damit den Nerv der Gesellschaft.

3 Das Buch wurde ihr größter literarischer Erfolg und erschien in 37 Auflagen und 12 Sprachen.

4 Inhaltlich beteiligte sich Bertha von Suttner am damaligen pazifistischen Diskurs.

5 Frieden wurde als naturrechtlich verbürgter Normalzustand definiert, dem der Krieg als eine Folge menschlichen Irrwahns gegenüberstehe.

6 Das Recht auf Frieden werde in der Folge demnach völkerrechtlich einforderbar.

7 Sie bezieht sich auf eine dynamische Geschichtsauffassung der in das Soziale gewendete darwinschen Evolutionstheorie und geht von einer langsamen Höherentwicklung der Menschheit im Sinne der Selektion aus (Fortschrittsglaube).

8 In ihrem internationalen Engagement vertritt sie den Friedensgedanken bei Friedenskongressen in Europa und 1904 in der bereits entwickelten US-Friedensbewegung erfolgreich.

Der Höhepunkt des Engagements erfolgte mit der Verleihung des Friedensnobelpreises 1905 als erste Frau.

Das offizielle Österreich hält ihr Andenken mit dem Bild auf der 1000 Schilling - Banknote und der österreichischen 2-Euro-Münze hoch.

11 Persönliche Reflexion - Friedenspädagogik

Ziel einer Friedenspädagogik kann nur Friedensbildung sein. Die folgenden Ausführungen sind abschließend als persönliche Reflexion der Thematik zu verstehen, es geht um Grundsätze und Arbeitsbereiche.

Für den Autor sind der Ausgangspunkt die Bildungsbereiche und die wissenschaftlichen Teilbereiche der Politischen Bildung, Interkulturellen Kompetenz und Lehrerbildung sowie Erwachsenenpädagogik von wesentlicher Bedeutung.

11.1 Verankerung im gesellschaftlichen Kontext

Friedensbildung bedeutet das gemeinsame Nachdenken über und das Lernen von Fähigkeiten, die ein Zusammenleben von Menschen und ihrer Umwelt in Frieden und Gewaltfreiheit fördern. Damit folgt man einer Logik, die zu einer "Kultur des Friedens" führt.

  • Friedenspädagogik sucht pädagogische Antworten aus Gewaltbereitschaft und Friedlosigkeit in und zwischen den Gesellschaften und Staaten.
  • Es geht um Vorstellungen, wie man friedlich leben kann und Identitäten von Personen, Gruppen und Gemeinschaften als Friedenstifter fördert.
  • Die angesprochenen Bildungsbereiche betreffen Kinder, Heranwachsende und Erwachsene.
In der Präambel der UNESCO (Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur der UNO) von 1945 findet sich der Bezug zur Friedensbildung > https://www.unesco.de/mediathek/dokumente/verfassung-der-organisation-fuer-bildung-wissenschaft-und-kultur [12.1.2020]).

Der nationale Rahmen für Friedensbildung in Österreich ist das Bekenntnis zu den Menschenrechten (Charta der UNO), zur Europäischen Union, dem Europarat, mit der Kodifizierung in der Bundesverfassung.

In den schulischen Lehrplänen, dem Curriculum der universitären Lehramtsausbildung für Didaktik der Politische Bildung sind die Grundsätze im Kontext einer Demokratieerziehung und Menschenrechtsbildung festgelegt.

Konkret gilt der "Beutelsbacher Konsens" mit dem Kontroversitätsgebot, Überwältigungsverbot und Aktualitätsgebot in der Schul- und Erwachsenenpädagogik.

11.2 Friedenspädagogik als Lernprozess

Friedenspädagogik setzt einen ständigen und bewusste Prozess voraus, der als Lernprozess gestaltet werden kann. Ein friedliches Zusammenleben ist erlernbar, gefordert sind alle Institutionen, die einen pädagogischen Auftrag in der Gesellschaft zu erfüllen haben.

Die drei Faktoren/ Trias Friedenskompetenz, Friedensfähigkeit und Friedenshandeln begründen Friedensbildung bzw. Friedenspädagogik.

  • Friedenskompetenz - Aneignung von Sachwissen zur Entstehung, Entwicklung und den Konsequenzen von Konflikten, zur Gewalt und den Gefahren
  • Friedensfähigkeit - Erlernen der soziale Fähigkeiten, nicht-verletzende Kommunikation, Teamfähigkeit, Fähigkeit zum Perspektivenwechsel
  • Friedenshandeln - Handlungen für mehr Gerechtigkeit, Einhaltung der Menschenwürde und Menschenrechte, Stärkung der Demokratie und Mitbestimmung/Mitverantwortung, Einrichtung gerechter Strukturen

11.3 Arbeitsbereiche

Friedensbildung lebt von der Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Akteuren (vgl. Lehrerbildung, Universität, Landesverteidigungsakademie, Jugendverbände, Erwachsenenbildung).

Vorschläge zur Umsetzung:

Seminartätigkeit - 4 Elemente:

Wissen, Methodenkompetenz - eigene Friedensfähigkeit/Übungen - Entwicklung einer Vision von Frieden - Gerechtigkeit

1 Projektarbeit - Fallanalyse - Gruppenarbeit - Archivarbeit - (Aspekt-) Erkundungen

2 Wanderungsbewegungen

3 Wertewandel

4 Kolonialismus - Dekolonisation

5 Rassismuskritik

6 Friedenskonzepte

7 Gleichberechtigung

8 Erkunden von Erinnerungsorten

9 Zeitzeugengespräche

10 Museumsarbeit

11 Medienarbeit - Mitarbeit in Friedensdekaden

11.4 Herausforderungen an eine Politische Bildung

Nicht nur weltpolitische Konflikte bedrohen den Frieden.

Neue technologische Entwicklungen

Neue technologische Entwicklungen in neuen Waffensystemen, Formen der Kriegsführung und damit entstehenden Rüstungswettläufen ergeben Phänomene einer Friedensbedrohung (vgl. MÜNKLER 2014).

Zu beachten sind die zunehmende Automatisierung und Autonomisierung unbenannter Waffensysteme, die Digitalisierung der Kriegsführung und neue taktische Nuklearwaffen. Damit entstehen zentrale Herausforderungen und eine ethische Reflexion.

Es sind die folgenden Aspekte anzuführen.

1 Die aktuellen technologischen Entwicklungen bedürfen einer völkerrechtlichen Ächtung und damit einer Aufwertung internationaler Organisationen und Vereinbarungen.

2 Die Dialogfähigkeit gehört damit als Basiskompetenz gepflegt und ausgebaut.

3 Es bedarf einer Stärkung der Defensive im digitalen Bereich durch einen Aufbau resilienter IT - Infrastrukturen (vgl. das Schlagwort "Rüsten ohne Aufzurüsten").

4 Politische Bildung kommt damit eine zunehmende Bedeutung in der Schul- und Erwachsenenpädagogik sowie Wehrpädagogik - tertiärer und quartärer Bildungsbereich - zu.

Weltweite Friedenstiftung

Weltweite Friedensstiftung ergibt sich im Bestreben einer Gleichberechtigung, verstanden als Beitrag zur fachlichen und sozialen Kompetenz von Frauen und Männern.

1 Der "Weltfrauentag" sollte als solcher verstanden werden.

2 Im Mittelpunkt stehen nicht nur die Problembereiche Politik, auch die Wirtschaft mit einem geteilten Arbeitsmarkt und einer Ungleichgewichtung, die zunehmende Gewalt an Frauen und offene und subtile Diskriminierung.

3 Das Beispiel der "Kopftuchdebatte" weist auf den notwendigen Diskurs in einer trans- bzw. interkulturellen Gesellschaft, Nachbardiszipline der Politischen Bildung sind gefordert(vgl. den IT-Autorenbeitrag http://www.netzwerkgegengewalt.org < Index Weltfrauentag, Pkt. 2) .

4 Friedenslernen ist mehr als nur ein Projekt, es ist ein weites Bemühen um Gerechtigkeit geworden.

12 Diskurs - Friedensrelevante Lernziele

Frieden ist ein Zustand, der durch gesellschaftliches Handeln herzustellen und zu erhalten ist. In einem Erziehungsprozess ist die Fähigkeit zum Handeln ggf. erreichbar.

Die Friedensforschung hat analytische Ansätze wie beispielsweise "strukturelle Gewalt", "organisierte Friedlosigkeit", "Vorurteilsdynamik" und "Aggressivität" entwickelt.

12.1 Problematik Curriculum Friedenserziehung

Ein Curriculum Friedenserziehung sollte nicht als Lernzielkatalog als Stoffkatalog, vielmehr als Lernzielzusammenhang strukturiert werden (vgl. NICKLAS - OSTERMANN 1972, 228).

1 Anknüpfung an konkrete Bedürfnisse und Interessen der Lernenden > didaktischer Aspekt

2 Ableitung aus Erkenntnisinteressen einer kritischen Theorie der Friedensforschung > wissenschaftlicher Aspekt

3 Angabe des Ortes der Gleichberechtigung > emanzipatorischer Aspekt

Das Dilemma des Curriculums einer Friedenserziehung ist neben der Anregung zu Lernprozessen, aber auch die Benennung von Lernzielen.

Die folgenden Lernzielzusammenhänge sind kein Ergebnis einer in Lehre erfolgten Erprobung, vielmehr deuten sie die Richtung einer Entwicklung von Lernzielen an, die im Kontext kritischer Friedensforschung stehen.

12.2 Lernzielzusammenhänge

1 Gesellschaft

Möglichkeiten einer Demokratisierung und Gleichberechtigung, Ablauf gesellschaftlicher Prozesse, eigenes Denken und Handeln/ Sozialisation, eigenes und solidarisches Handeln, Konformitätsdruck und Positionsrolle

2 Interessen

Fähigkeit des Erkennens und Artikulierens eigener Interessen, partikulare und allgemeine Interessen/ Friedensdimension, Organisation und Durchsetzung

3 Gleichberechtigung

Fähigkeit einer Abstimmung der Beziehung von eigener und gesellschaftlicher Gleichberechtigung, Erlernen der Erreichung des Ziels mit humanen Mitteln, Fähigkeit des Erkennens von Folgen einer gesellschaftlichen Entfremdung

4 Strukturelle Gewalt

Erkennen der Begünstigung bzw. Benachteiligung von gesellschaftlichen Gruppierungen, Chancen und Nachteile der Positionen, Ideologien und systemische Abläufe, Gewaltstrukturen von hoheitlicher, struktureller und direkter personaler Gewalt mit Folgen, Fähigkeit eines Vergleichs der Möglichkeit einer Selbstverwirklichung und vorgegeben Entwicklungen

5 Konflikte

Lernen des Erkennens der Ursachen gesellschaftlicher Konflikte, Interessenspositionen mit Konfliktpotential/ Rechtfertigung - Verschleierung, Analyse von Lösungsmöglichkeiten

6 Aggression

Erkenntnis der Produktion von Aggression, Artikulationsformen mit gesellschaftlicher Prämierung bzw. Sanktionen, Minderheiten und Randgruppen sowie gesellschaftliche Stabilität

7 Vorurteile

Erkennen eigener Vorurteile und kritische Reflexion, gesellschaftliche Ursachen, Vorurteile als Deformierung der Realität und Wahrnehmung - "selffulfilling prophecy"

8 Internationales System -Krieg

Abbau von ethnozentrischen und nationalistischen Loyalitäten und Entwicklung problembezogener, Erkenntnis historischer Zusammenhänge, Veränderbarkeit und Gestaltbarkeit, Widersprüche im internationalen System/ asymetrische Verteilung ökonomischer, ökologischer und sozialer Lebenschancen, Analyse systembedingter Konfliktpotentiale und offener Konflikte, Einsatz von Mitteln in Kriegen und folgenreiche Konsequenzen für Menschen

Quelle: modifiziert nach NICKLAS - OSTERMANN 1973, 230-233

13 Friedensbemühungen - Friedensgutachten

2023 veröffentlichten vier deutsche wissenschaftliche Institutionen BICC, HSFK, IFSH und INEF "Friedensgutachten" , die im Folgenden verkürzt in ihren Kernaussagen zusammengefasst werden (vgl. FRIEDENSGUTACHTEN 2023, 5-11).

Im zweiten Jahr des Ukraine - Konflikts zeigen sich immer stärker globale Verwerfungen. Der Krieg beeinflusst die Funktionsfähigkeit internationaler Organisationen und notwendigen Kooperation in Politikfeldern wie der Handelspolitik und dem Klimaschutz. Innerstaatlich kommt es zu Polarisierungen und Verschwörungstheorien mit negativen Folgen für die Demokratie. Viele Bemühungen um Frieden bringen keinen Frieden.

Kriege und Konflikte haben nicht nur Europa, auch viele Weltregionen bestimmt. Der Ukraine - Konflikt ist ein regionaler Konflikt, die Folgen sind weltweit zu spüren (vgl. Kerninflation, mit Preiserhöhungen für Energie und Lebensmitteln; Fluchtbewegungen; Konflikte im Indopazifik). Andauernde Konflikte gibt es mit hoher Gewaltbereitschaft in Afrika.

Dies Ausgangslage lässt noch lange keinen Frieden erkennen. Die empirische Forschung zeigt an, dass nur 20 Prozent aller zwischenstaatlichen Kriege mit einer militärischen Niederlage enden, weitere 30 Prozent haben kein klares Ergebnis (vgl. Ressourcenverbrauch).

13.1 Zunahme von Gewaltkonflikten

Die Konfliktherde dürfen nicht vergessen werden wie die Kriege im Mittleren Osten, im Sahel und am Horn von Afrika. Die Kriege und Konflikte in Äthiopien, Somalia und dem Jemen verzeichnen eine Erhöhung der Zahl der Todesopfer um 46 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Alte und neue Konflikte sowie die rasche Aufrüstung rücken die Aussicht auf Frieden auch 2023 in weite Ferne. Das Beispiel Sudan zeigt, wie schnell ein Konflikt gewaltsam eskalieren kann. Kaum ein Konflikt findet ohne nichtstaatliche bewaffnete Gruppen statt (vgl. lokale Milizen, Privatarmeen).

13.2 Dilemmata feministischer Außen- und Entwicklungspolitik

Feministische Außenpolitik nimmt die politischen Konsequenzen für unterschiedliche Gruppen, nicht nur für Frauen und andere strukturell marginalisierte Teile der Gesellschaft, in den Blick.

Ziel sind gleiche Rechte und gesellschaftliche Teilhabe sowie gleicher Zugang zu Ressourcen.

Die vergangenen Jahre zeigen die gesellschaftliche Ausgrenzungen und das Fehlen politischer Antworten - man denke an den Iran mit Demonstrationen/ Tod Mahsa Amini 2022 mit Demonstrationen von vielen Frauen und Männern - aus Rücksicht auf Öltransporte und Nuklearverhandlungen. Ebenso denke man an das Schul-, Bildungs- und Arbeitsverbot für Frauen in Afghanistan und das Dilemma für eine humanitäre Hilfe und Nothilfe.

13.3 Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit

2021 und 2022 beeinflussen drei Krisen die Weltlage, "3Cs" Climate, Covid und Conflict bezeichnen den Klimawandel, Covid-19 - Pandemie und Ukrainekonflikt.

  • Extremwetterereignisse, Dürren mit Knappheit von Lebensmitteln Überschwemmungen
  • Pandemie mit Folgen im Gesundheitssystem, Alltag und Bildungs- und Arbeitssystem
  • Ukrainekonflikt mit Sorgen für die Bevölkerung, Fluchtbewegungen, weltweite Lebensmittelversorgung, Aufrüstung und Friedenssicherung

13.4 Stärkung von Rüstungskontrolle

Es wird eine Umstellung der Rüstungskontrollpolitik notwendig sein. Schwierig werden Abrüstungsschritte und Rüstungsbegrenzungen werden. Diplomatische Kommunikationsstrukturen sind aufrecht zu erhalten.

Ziel muss sein, die Krisenstabilität zu erhöhen. Das Risiko von Fehlwahrnehmungen zu verkleinern und militärische Eskalation zu verhindern. Konzepte der Transparenz und Überprüfbarkeit von Truppenbewegungen sowie Maßnahmen von Vertrauensbildung sollten für die Zeit nach dem Ukrainekonflikt wieder angeknüpft werden. Eröffnet werden sollte auch die Möglichkeit, Staaten in Rüstungskontrollgespräche einzubeziehen, die bisher nicht beteiligt waren.

13.5 Politische Entflechtungen

Angesprochen sind wirtschaftliche Verflechtungen im Handel, mit Abhängigkeiten Europas (vgl. Winter 2022 Gasversorgung).

Politische Entflechtungen sind daher überlegt und zurückhaltend in Abstimmung mit EU - Partnern vorgenommen werden (vgl. aktuell China).

13.6 Entschärfung gesellschaftlicher Polarisierung

Gesellschaftlicher Frieden und Konfliktaustragung sind in Demokratien voraussetzungsvoll. Die Folgen aktueller Krisen erhöhen das Risiko politischer Polarisierung und gesellschaftlicher Spaltung. Gewaltfreie Proteste sind Bestandteil einer Demokratie (vgl. öffentliche Diffamierung ist keine Antwort auf Proteste).

Gestärkt gehört die Resilienz demokratischer Gesellschaften mit Beratungs- und Bildungsprogrammen. Neue Beteiligungsformen können eine Ergänzung von politischen Entscheidungsprozessen sein. Politische Antworten benötigen die Reflexion auf soziale Kosten und eine gesellschaftliche Betroffenheit.

13.7 Schlussfolgerungen

Die Welt ist aktuell weit vom Frieden entfernt. Der Ukrainekonflikt blockiert Kooperationen im Rahmen internationaler Vereinbarungen und fördert neue Lagerbildungen.

Eine auf Frieden gerichtete internationale Politik hat sich an Normen und Werten zu orientieren und an dem, was möglich ist. Die Dilemmata entstehen und sollen transparent kommuniziert werden, damit Politik glaubwürdig bleibt.

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Zum Autor

APS - Lehramt/ VS - HS - PL, Lehrer/ APS - Schülerberater, Schulentwicklungsberater (1975, 1999), Lehrerbildner/ PI des Landes Tirol (1994-2003), Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol (1994-2003)

Absolvent des Studiums Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/ Doktorat (1985), des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg - Klagenfurt/ Master (2008), der Weiterbildungsakademie Österreich/ Diplome (2010), des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg / Diplom (2012), der Internen Personalentwicklung/ Bildungsmanagement der Universität Wien/ Zertifizierung (2008-2010), des 4. Internen Lehrganges für Hochschuldidaktik/ Zertifizierungen (2016), des Fernstudiums Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium/ Comenius - Institut Münster/ Zertifizierung (2018), des Fernstudiums Nachhaltige Entwicklung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium/ Comenius - Institut Münster/ Zertifizierung (2020)

Lehrbeauftragter am Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft/ Universität Wien/ Berufspädagogik-Vorberufliche Bildung (1990/1991-2010/2011), am Fachbereich Geschichte/ Universität Salzburg/ Lehramt Geschichte - Sozialkunde - Politische Bildung/ Didaktik der Politischen Bildung (2016, 2018), am Kirchlichen Lehrgang der Superintendenz Salzburg und Tirol/ Basisausbildung von Religionslehrkräften für die APS/ Pädagogische Impulse für Unterricht und Lehre, Interkulturalität (2018-2020)

Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche (2000-2011), stv. Leiter des Evangelischen Bildungswerks in Tirol (2004-2009, 2017-2019), Kursleiter an den VHSn des Landes Salzburg Zell/See, Saalfelden und Stadt Salzburg (2012-2019)

Aufnahme in die Liste der sachverständigen Personen für den Nationalen Qualifikationsrahmen/ NQR, Koordinierungsstelle für den NQR/ Wien (2016)


MAIL dichatschek (AT) kitz.net

 
© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am April 19, 2024