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Flucht und Vertreibung in den letzten Jahrzehnten

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Denk beim Erarbeiten der Leitfragen an die Gruppenarbeiten des Arbeitsblattes 1 und 2. Bei den Arbeitsaufträgen hast Du Dich mit Migration beschäftigt und einen Einblick in das jüdische Leben und die Flucht bekommen.
Denk beim Erarbeiten der Leitfragen an die Gruppenarbeiten des Arbeitsblattes 1 und 2. Bei den Arbeitsaufträgen hast Du Dich mit Migration beschäftigt.


Flucht und Vertreibung in den letzten Jahrzehnten    

Theorie und Praxis von Wanderbewegungen    

Günther Dichatschek

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Flucht und Vertreibung in den letzten Jahrzehnten   
Theorie und Praxis von Wanderbewegungen   
Widmung   
Danksagung   
Vorbemerkung   
1 Einleitung   
2 Der Erste Weltkrieg - Gewaltmigration   
3 Migration in der Zwischenkriegszeit   
4 Migrationspolitik nach 1918   
5 Weltwirtschaftskrise - Migration im außereuropäischen Raum   
6 Migration im Zweiten Weltkrieg   
7 Migration nach dem Zweiten Weltkrieg   
8 Kalter Krieg - "Eiserner Vorhang"   
9 "Stellvertreterkriege" - Gewaltmigration   
10 Folgen der Dekolonialisierung   
11 Arbeitsmigration nach dem Zweiten Weltkrieg   
12 Ost-West-Migration? in Europa   
13 Weltbevölkerung und Migration   
14 Didaktikmodell/ Lehramt - Migration-Flucht? und Vertreibung   
14.1 Lernziele   
14.2 1 - 3 Einheiten   
Herausforderungen - Perspektiven   
IT-Autorenbeiträge?   
Literaturverzeichnis   
Zum Autor   

Widmung    

Gewidmet meinen Töchtern Katrin und Sabine

Danksagung    

Wer sich mit der Thematik der verschiedenen Wanderungsbewegungen im Kontext Politischer Bildung beschäftigt erkennt den interdisziplinären Umfang und ihre Bedeutung.

Zu danken ist den Lehrenden im tertiären Bildungsbereich für ihre Kompetenz und Aktualität.

Zu danken ist für die Hilfestellung bei der Manuskripterstellung Helmut Leitner.

Für die jahrelange reibungslose Zusammenarbeit danke ich der Autorenbetreuung des Akademikerverlages.

Günther Dichatschek

Vorbemerkung    

Die europäischen und globalen Wanderungsverhältnisse (Migrations-) mit ihren spezifischen Mustern und räumlichen Bewegungen sind Gegenstand breiter Betrachtungen.

Gerade die Debatte um das Jahr 2015 um eine globale Flüchtlingsfrage und deren Bedeutung für die Europäische Union und damit auch für Österreich als Migrationsland lassen das Interesse an der Thematik wachsen (vgl. den IT-Autorenbeitrag? zu Österreich http://www.netzwerkgegengewalt.org > Index: Migration in Österreich, Teil 1 und 2).

Für die Politische Bildung und Interkulturelle Kompetenz in Lehre-Didaktik?/ Lehramt und Erwachsenenpädagogik ergibt sich der Bezug aus den Herausforderungen im jeweiligen Bereich.

Es geht um

  • Basiswissen in Politischer Bildung und Interkulturelle Kompetenz,
  • Diversität,
  • Phänomene der Alterung der Gesellschaft,
  • Gründe der Wanderungsbewegungen in Konfliktzonen, Klimawandel, Bildungs- und Wirtschaftsfragen (vgl. OLTMER 2017, 8).
Komplexe und vernetzte Fragen einer Wissensgesellschaft Europas (und der Welt) bedürfen einer Berücksichtigung des Wandels von Migrationsverhältnissen.

Die Migrationsforschung seit den neunziger Jahren hat die Veränderungen der Wanderungsbewegungen (Zuwanderung, Abwanderung, Binnenwanderung, Flucht-Asyl-Vertreibung?, Migrationsarten - staatliches Handeln und politische Debatten) aufgezeigt.

Vorrangig geht es um

  • Migrationstabu und die Zunahme,
  • Folgewirkungen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich,
  • Gewinner und Verlierer der Migration sowie
  • Nationalismus, Rassismus und Diskriminierung im Kontext mit neuer Ein- und Auswanderungspolitik (vgl. COLLIER 2015).
Ausgangspunkt des Autoreninteresses sind die Absolvierung des

  • Studiums der Erziehungswissenschaft/ Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Innsbruck (1985),
  • 10. Universitätslehrganges Politische Bildung der Universitäten Salzburg-Klagenfurt? (2008),
  • der Weiterbildungsakademie Österreich/Erwachsenenbildung-Lehre (2010),
  • 7. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz der Universität Salzburg (2012) und
  • 4. Internen Lehrganges für Hochschuldidaktik der Universität Salzburg (2016).
Die Auseinandersetzung mit der Fachliteratur unter dem Gesichtspunkt einer Politischen Bildung ergänzt den Überblick über die Thematik (vgl. BADE 2000, BADE-OLTMER? 2003, HUNN 2005, OVERMANS 2005, GREINER 2007, BEER 2011, ECKERT 2011, PUDLAT 2013, COLLIER 2015, OLTMER 2016b/2017, GÖBEL-BUCHWALD? 2017).

Die Studie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und beruht vorrangig auf dem Interesse des Autors.

1 Einleitung    

Die Historische Politische Bildung verweist auf zentrale Elemente einer Anpassung an Umweltbedingungen und einen gesellschaftlichen Wandel (vgl. OLTMER 2017, 8-9, 12-16). Ein Blick in die Menschheitsgeschichte lässt die beiden Faktoren in ihrer Bedeutung erkennen.

Vermutlich vor rund 100 000 bis 120 000 Jahren verließ der Homo sapiens den afrikanischen Kontinent und verbreitete sich von Nahen Osten und der Arabischen Halbinsel über die Welt.

Vor rund 40 000 Jahren erschloss er die gemäßigten Zonen Eurasiens nördlich der Alpen, des Himalaja und des Kaukasus.

Europa wurde vermutlich von Südosteuropa ausgehend besiedelt, schließlich waren Menschen vor und 12 000 Jahren in allen Großräumen der Kontinenten vorhanden.

Neben der Suche nach Siedlungs- und Erwerbsmöglichkeiten kam es in der Folge zu Flucht und Vertreibung in Verbindung mit Kriegen und Wanderungen von Eliten.

Es etablierten sich seit ungefähr 3000 vor unserer Zeitrechnung Hochkulturen wie ägyptische Reiche, Babylon, chinesische Großreiche, das Alexander-Reich? und das Römische Reich.

2 Der Erste Weltkrieg - Gewaltmigration    

Kennzeichnend für die neue Konfliktdynamik waren die militärischen Operationen innerhalb weniger Tage und Wochen mit einer Entwurzelung der Zivilbevölkerung in den Kampfzonen (vgl. OLTMER 2017, 128-131; BADE 2000).

In drei Monaten flohen nach einem deutschen Angriff im Westen rund 1,4 Millionen Belgier, ein Fünftel der 1914 rund sieben Millionen Menschen der Gesamtbevölkerung des Landes in die Niederlande, nach Frankreich oder Großbritannien (vgl. OLTMER 2017, 128).

Im Osten Europas waren die Fluchtbewegungen größer. In den ersten Augustwochen 1914 strömten rund 500 000 Flüchtlinge in Richtung Westen (vgl. Ostpreußen), panikartige Evakuierungen in Galizien gab es mit rund 800 000 Menschen.

1915 zählten im Dezember 2,7 Millionen Flüchtlinge, im Mai 1916 mehr als 3,1 Millionen.

Folgerungen ergaben sich für Minderheiten. Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung von Minderheiten nahmen zu. Pogrome gab es in Russland in den Kriegsgebieten. Hunderttausende Letten und Russlanddeutsche wurden zwangsweise deportiert. In Österreich-Ungarn? kam es zu einer Diskriminierungs- und Deportationspolitik gegenüber Serben, Ukrainern und Italienern.

Internierungen und Abschiebungen von "feindlichen Ausländern" als Zivilgefangene wurden Frankreich und Großbritannien bereits im August 1914 begonnen.

Gleichzeitig mobilisierten die europäischen Kolonialmächte mindestens ein bis zwei Million afrikanische Soldaten. Mit dieser verstärkten Rekrutierungspolitik kam es zu einem Arbeitskräftemangel und notwendigerweise zu Zwangsarbeit bei Kriegsgefangenen und im Kolonialbereich.

Lagerlandschaften kennzeichneten das Massenphänomen der Kriegsgefangenen Europa (vgl. die Schätzung von acht bis neun Millionen Gefangenen).

3 Migration in der Zwischenkriegszeit    

1918 beginnt eine millionenfache Rückwanderung von Flüchtlingen, Evakuierten, Zwangsarbeiterkräften und Kriegsgefangenen (vgl. OLTMER 2017, 131-136).

Migration erhält Bedeutung auf Grund der neuen Staatenbildungen.

Die Grenzverschiebungen führen zu Flucht- und Umsiedelungsbewegungen. Ausweisungen von Beamten, Lehrkräften und Wirtschaftstreibenden sind die Folge. Neue Gesetze, Währungen und Zollgrenzen entstehen.

Nach dem Krieg nehmen Österreich, Ungarn und Deutschland aus den verlorenen Territorien rund zwei Millionen Menschen auf. Von der Bevölkerung in Österreich am Ende der zwanziger Jahre waren mehr als zehn Prozent außerhalb der neuen Grenzen geboren. Allein 440 000 Menschen stammten aus Böhmen und Mähren (vgl. OLTMER 2017, 132).

In Südosteuropa wurde im Frieden von Lausanne 1923 eine Entmischung nach dem griechisch-türkischen Krieg vorgenommen. Griechen hatten mit Ausnahme von Istanbul die Türkei zu verlassen (1,35 Mill. Griechen), alle Muslime Griechenland( 430 000 Türken). Zwangsweise Rückwanderungen gab es von Türken auch aus Jugoslawien, Rumänien und Bulgarien. Die Gesamtzahl aller Zwangsumsiedelungen lag in Europa um 1925 bei mindestens 9,5 Mill. Menschen.

Riesig ist die Zahl der Pogrome in Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa vor dem Hintergrund wirtschaftlicher, sozialer und politischer Krisen. Der Völkerbund schätzt 1921 der Zahl der jüdischen Auswanderer in Richtung Westen und über den Atlantik auf rund 200 000.

Die größte Gruppe der Zwangsmigranten aus Osteuropa waren die Flüchtlinge vor Revolution und Bürgerkrieg in Russland. Mit der Niederlage der weißen Truppen und vielen Ausweisungen aus der folgenden Sowjetunion erreichten die Ausweisungen über die ganze Welt ihren Höhepunkt, die insbesondere die Angehörigen mittlerer und höherer Sozialschichten betraf (vgl. als Zentren russischen Exils das russische Berlin und Paris sowie das Schwergewicht in der Folge auf New York).

Für das nationalsozialistische Deutschland nach 1933 galten die ähnlichen Entwicklungen, insbesondere für Gegner der Weltanschauung und Juden. In jeweiligen Phasen kam es großen Fluchtbewegungen, insbesondere mit den "Nürnberger Rassengesetzen" 1935 und dem Novemberpogrom 1938. Ein Einschnitt ergab sich mit dem Abwanderungsverbot 1941.

Die Aufnahme von Juden erfolgte in über 80 Staaten, die Hälfte der Flüchtlinge wurde auch während des Zweiten Weltkrieges in den USA aufgenommen.

Die letzte große Fluchtbewegung in der Zwischenkriegszeit prägte Europa 1939 mit Flüchtlingen des spanischen Bürgerkriegs. Mit dem Zusammenbruch der spanischen Republik flohen 1939 rund 500 000 Republikaner nach Frankreich, die Hälfte als Zivilisten. In der Folge war Mexiko ein Ziel. Nach Spanien zurückgekehrt sind rund 150 000. Die Flüchtlinge in Frankreich gerieten in die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges, wurden an das Franco-Regime? ausgeliefert, kämpften im Widerstand oder gerieten in KZ-Gefangenschaft?.

4 Migrationspolitik nach 1918    

Ökonomische Wirkungen des Krieges ergaben sich am Arbeitsmarkt als Objekt staatlicher Kontrolle und wirtschaftlicher Krisensituationen (vgl. OLTMER 2017, 136-139).

Die Ausländerbeschäftigungspolitik entwickelte sich zu einem staatlichen Steuerungsbereich.

Neue Instrumente von Migrationskontrolle waren Grenzsperren und Kontingtierungen, zudem gab es Mangel an Transportkapazitäten.

Inflationäre Geldentwertung kennzeichnete fast alle Währungen der Kriegsbeteiligten.

Erwerbslosigkeit und Belastungen im Welthandel ließen Exportchancen sinken.

Die protektionistische Abgrenzung der einzelnen Volkswirtschaften war ein Kennzeichen von De-Globalisierung? und ökonomischer Desintegration.

Vor diesem Hintergrund endete eine massenhaften Übersee-Migration? und damit sank die Abwanderung.

Nach Abwanderungen von rund 1,4 Millionen Menschen zwischen 1906 und 1910 ging die Zahl um rund ein Drittel zwischen 1916 und 1920 zurück.

In der Weltwirtschaftskrise waren die Zahlen ebenso niedrig, am Beginn des Zweiten Weltkrieges gab es fast keine transatlantische Migration.

5 Weltwirtschaftskrise - Migration im außereuropäischen Raum    

Die Wanderbewegungen waren durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise gekennzeichnet. Zu beobachten war dies in Europa durch die verminderte Abwanderung von den britische Inseln, Italien, Portugal, Spanien und Polen. Die Ursachen ergaben sich aus den Entwicklungen der Zielländer (vgl. OLTMER 2017, 140-144).

Die USA führten mit dem "Quota Act" schon 1921 Quoten ein. 1924 und 1927 wurden die Quoten verschärft. Andere Kontinente unterlagen noch schärferen Restriktionen (vgl. das Verbot des Erwerbs der US-Staatsbürgerschaft? für Japaner und die Restriktionen für Chinesen).

In der Zwischenkriegszeit kam es zu einem Richtungswechsel nach Lateinamerika (Brasilien, Argentinien), Kanada, Australien und Neuseeland.

Zirkuläre Bewegungen (Rückwanderungen) waren ebenfalls zu beobachten.

Unterschiedlich waren die migratorischen Folgen. Neben den angesprochenen Trends gab es Ausnahmen wie die Zuwanderung in die Sowjetunion im Kontext mit der Industrialisierung.

Zwischen 1928 und 1931 warb man Facharbeiter und Handwerker zur Linderung des Facharbeitermangels in die Produktionszentren in Zentralrussland, in die Ukraine und Westsibirien an. Die Zuwanderer versprachen sich nicht nur Arbeit, auch die Umsetzung ihrer politischen Ideen. Die Anwerbung endete auf Grund organisatorischer und politischer Schwierigkeiten 1936.

Durch die hohe Erwerbslosigkeit und die notwendige Kostenersparnisse bei Wohnungen kam es zu Abwanderung in ländliche Gebiete (vgl. günstigere Wohnungsmöglichkeiten, bessere Versorgung mit Lebensmitteln).

In den USA zeigt das Phänomen der "Hobos" die Existenz als orts- und ziellose Wanderarbeiter eine ständige Bewegung vor allem auf Güterzügen und Suche nach Erwerb eine Obdachlosigkeit aufzeigt (vgl. die Hobo-Subkultur? mit illegalen und provisorischen Lagerstätten und ihre Idealisierung in Literatur, Musik und Film).

6 Migration im Zweiten Weltkrieg    

Der zweite globale Konflikt und die Folgejahre waren durch Flucht, Vertreibung, Deportation und Zwangsarbeit gekennzeichnet (vgl. OLTMER 2017, 144-151).

Massiv waren die Bevölkerungsverluste, insbesondere die Zahl der getöteten Zivilbevölkerung. Ebenso massiv war die Gewaltmigration, die rund zehn Prozent der Menschen in Europa betraf.

Der Krieg im pazifischen Raum ließ die Zahl der Flüchtlinge und Vertriebenen steigen. Der unerklärte Krieg etwa um die Mandschurei und Nordchina 1937-1945 zeigte Mord, Plünderungen und Massenvergewaltigungen durch Japan auf. Insgesamt soll die Zahl der Flüchtlinge jene in Europa deutlich übersteigen (vgl. Schätzungen liegen bei 95 Millionen).

Das "Dritte Reich" mit seinem Beutekrieg benötigte für seine Kriegswirtschaft aus 26 verschiedenen Ländern rund acht Millionen Zwangsarbeiter (vgl. BISCHOF/KARNER/STELZ-MARX? 2005; OVERMANS 2005, 729-875). Zwangsarbeiter wurden hauptsächlich in der Kriegswirtschaft, Landwirtschaft und im Bergbau eingesetzt. Ein Drittel waren Frauen, ein Großteil jünger als 20 Jahre. 20 000 Lager wurden für Zwangsarbeiter eingerichtet.

Im pazifischen Krieg setzte Japan Arbeitskräfte aus Korea ein. Koreaner dienten auch in der japanischen Armee und Marine (vgl. japanische Zwangsarbeit bei dem Bau der Thai-Burma-Eisenbahn? mit 200 000 asiatischen und 62 000 westlichen Zwangsarbeitern).

Ein Element der Zwangsarbeit war die Zwangsprostitution von Frauen durch das japanische Militär seit den dreißiger Jahren. Schätzungen sprechen von 200 000 Frauen, die Soldaten in den Kriegsjahren in bis zu sechs Länder folgen mussten (vgl. MIN 2003, 938-957).

Zwischen 1939 und 1944 wurden wurde eine Million Menschen deutscher Herkunft aus ihren außerhalb der Reichsgrenzen gelegenen Siedlungsgebieten geholt bzw. genötigt, sich in den eroberten Gebieten in Polen und der Tschechoslowakei anzusiedeln. Für die Ansiedelung dieser "Volksdeutschen" wurde die ansässige polnische, tschechische und jüdische Bevölkerung deportiert und letztlich im Völkermord umgebracht (vgl. KOTZIAN 2005).

Jüdische bzw. jüdisch erklärte Menschen in der NS-Hierarchie? hatten den geringsten Anspruch auf "Lebensraum". Die Gewaltmigration/ Deportation kam dem Tode gleich (vgl. OLTMER 2017, 151).

7 Migration nach dem Zweiten Weltkrieg    

Die große Gruppe der Überlebenden nach dem Kriegsende stellte das Gros der "Displaced Persons"(DPs) dar. Sie unterstanden den alliierten Besatzungsmächten und internationalen Hilfsorganisationen. In den ersten vier Monaten nach Ende des Krieges wurden über fünf Millionen DPs in ihre Heimatländer zurückgeführt.

1947 wurde die IRO (International Refugee Organization) gegründet, wobei Auswanderungen bis 1951 in die USA, Australien, Kanada, Frankreich und Großbritannien ermöglicht wurden.

Als großes Problem wurde die Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen und Vertriebenen angesehen.

Allein 500 000 Volksdeutsche lebten in Österreich und angrenzenden Ländern (vgl. BEER 2011). Eine ebenso große Anzahl hatten die Flucht, Vertreibung oder Deportation nicht überlebt. Ursachen waren Durchhalteparolen, unzureichende Evakuierungsmaßnahmen, schlechte Fluchtbedingungen, Angriffe der Roten Armee, Plünderungen, Vergewaltigungen und Morde als Racheakte an der Zivilbevölkerung.

In der Folge entstanden überall Lager und Baracken für eine längerfristige Unterbringung (Flüchtlingslager). Probleme der beruflichen Integration entstanden in der Phase des Wiederaufbaues, wobei bis 1955 Kriegsgefangene als "Heimkehrer" zurückkamen.

Die transkontinentale Abwanderung blieb durch restriktive Regelungen der Besatzungsmächte beschränkt. Erst mit der Gründung und Unabhängigkeit Österreichs durch den Staatsvertrag 1955 wurde die Auswanderung in die Zielländer freigegeben.

8 Kalter Krieg - "Eiserner Vorhang"    

Die Bezeichnung "Kalter Krieg" meint eine Phase eines "Nicht-Friedens?" und einer kriegsähnlichen Auseinandersetzung.

Zentrales Element ist der politisch-anschauliche Absolutheitsanspruch. Durch den Rüstungswettlauf wurden erheblich finanzielle und wirtschaftliche Ressourcen gebunden.

Die Teilung der Welt ergab für eine Migration wesentliche Folgen. Flucht, Ausweisung von Dissidenten, Aussiedler nach Deutschland, Pontos-Griechen? nach Griechenland, Karelien-Finnen? nach Finnland oder Juden nach Israel. i

In der Folge brachten kurzfristige Zusammenbrüche in Ungarn (1956), der Tschechoslowakei (1968) und Polen (1980, 1990) Fluchtwellen.

Ein Sonderfall war der Bau der Berliner Mauer 1961. Von 1949 bis 1961 wanderten vermutlich über drei Millionen Menschen aus der DDR aus. Ausreisegenehmigungen machten Rentnern und Nicht-Erwerbstätigen? eine Ausreise möglich. Die "Mauer" mit ihren Anlagen galt als unüberwindlich und hatte Tote bei Fluchtbewegungen (vgl. HÜRTGEN 2014).

9 "Stellvertreterkriege" - Gewaltmigration    

In anderen Weltregionen kam es zu globalen Systemkonflikten in Form von Stellvertreterkriegen.

Korea (1950-1953), Vietnam (1961-1975) und Afghanistan (1979-1989) erzeugten große Fluchtwellen und Vertreibungsbewegungen.

In Vietnam fanden durch US-Truppen? Umsiedelungen statt, wobei Erfahrungen aus Dekolonialisierungskonflikten angeführt wurden (vgl. GREINER 2007).

  • Ebenso kam es zu einer massiven Binnenwanderung, also zu Fluchtbewegungen im eigenen Land.
  • Am Ende des Krieges 1975 wurden rund 140 000 Vietnamesen von US-Truppen? evakuiert und konnten in die USA weiterreisen.
  • Umerziehungslager und die Kollektivierung der Wirtschaft ließen die Abwanderung nach China - hauptsächlich der chinesischen Minderheit - steigen.
  • Die Zahl der Vietnamesen , die über das Meer die Heimat verließen, stieg bis zu 200 000 Menschen 1979 und fand unter katastrophalen Bedingungen und hohen Todesraten statt ("boat people") (vgl. VO 2006; OLTMER 2017, 167-171).
Der Korea- und Afghanistan-Krieg? weist bis heute migratorische Folgen auf.

  • Korea hat bis heute so gut wie keine Kontakte zwischen Nord- und Südkorea.
  • Afghanistan weist hohe Fluchtbewegungen auf, Ziele sind vornehmlich Pakistan und der Iran. Die Fluchtbewegung reicht bis Europa.
10 Folgen der Dekolonialisierung    

Mit dem Beitrag asiatischer und afrikanischer Militärhilfe in den Weltkriegen und der eurozentrierten Ausrichtung von Wirtschaft und Gesellschaft regte sich der Widerstand in den Kolonien (vgl. OLTMER 2017, 172-179).

Da die zunächst erwartete Autonomie nicht gewährt wurde, zudem die Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankreich, Belgien und den Niederlanden sowie die extremen wirtschaftlichen Belastungen Großbritanniens politisch und wirtschaftlich die Kolonialmächte schwächten, kam es zum zweiten globalen Konflikt im 20. Jahrhundert mit dem langsamen Ende des Zeitalters des Kolonialismus.

Kalter Krieg und Dekolonisation waren eng verbunden, die Supermächte konkurrierten auch um den Einfluss in den kolonialen Teilen der Welt nach 1945.

Japans Erfolge und die Besetzung europäischer Kolonien in Asien hatte den Kolonialismus erschüttert. Eine erhebliche japanische Migration war die Folge.

Wesentlich sind die politisch-ideologischen Ideen von Unabhängigkeitsbewegungen in den Kolonien und Befreiungsstrategien im globalen Norden.

Viele Vorkämpfer einer Unabhängigkeit verdanken ihre politische Sozialisation dem Aufenthalt in Europa und den USA (vgl. ECKERT 2011, 244-274).

Beispielhaft sind die Biographien von Mahatma Gandhi (London), Ho Chi Minh (Frankreich), Kwame Nkrumah (USA) und Leopold Sedar Senghor (Frankreich). Ihre Migration beförderte im globalen Norden die Dekolonisation.

Gewaltmigration brachten die Unabhängigkeitskämpfe in den Kolonien

  • der Niederlande (vierziger Jahre/Indonesien),
  • Frankreich (fünfziger und sechziger Jahre/Indochina, Algerien),
  • Großbritannien (fünfziger Jahre/Kenia) und
  • Portugals (siebziger Jahre/Angola, Mosambik, Guinea-Bissau?).
2018 herrschen massive militärische Konflikte mit Flucht und Vertreibung im Jemen, in Syrien und im Kongo, Kriege weltweit in so gut wie allen Kontinenten.

Folgen der Dekolonisation waren Staatsbildungen oder Teilungskriege nach Abzug der Kolonialmächte. Den Beginn bildete der Rückzug Großbritanniens vom indischen Subkontinent (Indien-Pakistan/Kaschmir-Konflikt).

11 Arbeitsmigration nach dem Zweiten Weltkrieg    

Durch den hohen Bedarf an Arbeitskräften nach 1945 erschien eine Anwerbung im Ausland eine Lösung zu sein.

Eine Arbeitsmigration beschleunigte den ökonomischen, sozialen und politischen Wandel.

Kennzeichnend war der staatliche Einfluss auf eine Entwicklung der Migrationsverhältnisse. Anzusprechen sind die USA, Europa, Golfstaaten und Australien.

1942 begann die Anwerbung mexikanischer Arbeitskräfte in die USA. Eine zunehmende Migration in den Süden der USA war die Folge. Das "Bracero-Programm?" betraf die Landwirtschaft. 1951 bis 1964 stand wiederum die Landwirtschaft im Mittelpunkt.

Problematisch waren Illegalität, die Überwachung der 3100 km langen Grenze und die Legalisierung des Aufenthalts von drei Millionen Migranten, die vor 1982 einreisten (vgl. OLTMER 2017, 181-184).

Auf Grund hoher wirtschaftlicher Zuwachsraten benötigten ehemalige Länder der Übersee-Migration? wie Großbritannien und Deutschland eine höhere Zuwanderung.

Die Migration richtete sich auf Nord-, West- und Mitteleuropa aus Italien, Spanien, Portugal und Griechenland.

Deutschland schloss 1955 mit Italien einen Anwerbevertrag, die Schweiz warb 1946 und 1948 italienische Arbeitskräfte an. Frankreich und Belgien schlossen im gleichen Jahr Anwerbeverträge ab.

In Großbritannien wurden zunächst aus Irland Arbeitskräfte angeworben, in der Folge Italiener, Malteser, Zyprioten und Türken. Ab 1948 erhielten alle Bewohner der Kolonien bzw. des Commonwealth eine einheitliche Staatsangehörigkeit und freie Einreise und Arbeitsaufnahme durch den "British Nationality Act". Die Zuwanderung aus der Karibik stieg deutlich. In der Folge kam es zu Zuwanderungen aus dem subindischen Kontinent und Afrika.

Frankreich gewährte Algeriern 1947 die Staatsangehörigkeit und ungehinderte Zuwanderung. In den sechziger Jahren stieg die Zuwanderung aus Marokko und Tunesien sowie Indochina, der Sahelzone und der Karibik.

Anwerbeverträge und damit eine Öffnung für ausländische Zuwanderer gab es in der Folge in sechziger Jahren in Deutschland, Österreich und Schweden.

Für Deutschland galt zudem eine Zuwanderung aus der DDR.

  • Ab 1960 kam es zu Verträgen mit Spanien, Griechenland und der Türkei.
  • Erwartungen der Staaten, in denen Arbeitskräfte angeworben wurden, galten der Entwicklung der eigenen Volkswirtschaft, einem Zuwachs an Devisen, der Entlastung des eigenen Arbeitsmarktes und einem Wissenstransfer rückkehrender Arbeitsmigranten.
  • Migrationsbeziehungen verhalfen einem Aufbau von Netzwerken und engerer verwandtschaftlicher Beziehungen.
  • In der Folge stellten sich gesundheitliche Belastungen und Lohnbedingungen bei den Arbeitskräften ein.
  • Illusionär waren Vorstellungen über eine Steuerbarkeit räumlicher Bevölkerungsbewegungen, wie den Familiennachzug und eine Asylzuwanderung (vgl. HUNN 2005).
  • Ebenso entstand eine Binnenwanderung aus den Staaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.
  • Problembereiche ergaben sich in den Kontrollen bzw. der Begrenzung des Zuzugs, Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration und politischen Positionierungen.
Den Anfang einer erheblichen Beschränkung der Zuwanderung machte die Schweiz bereits 1970. Es folgten 1971 Großbritannien, 1972 Dänemark und Schweden, 1973 Deutschland mit den Niederlanden und Belgien und schließlich 1974 Frankreich.

Die Ölkrise 1973 war nur der Anlass, nicht der Grund der Beendigung der Anwerbepolitik.

1974 beschloss die Europäische Gemeinschaft in Paris die Gründung einer Passunion zur Förderung der europäischen Identität und Erweiterung der Mobilität.

Das "Saarbrücker Abkommen" 1984 zwischen Helmut Kohl und Francois Mitterand vereinbarte den allmählichen Abbau der Grenzkontrolle und bereitete 1985 das Schengen-Abkommen? vor. Schengen erwies sich als Ausgangspunkt für eine europäisierte Migrationspolitik nach dem Ende des "Kalten Krieges" (vgl. PUDLAT 2013).

In der Zeit der Beschränkungen der Zuwanderung in West-Europa? öffneten die Golfstaaten ihre Arbeitsmärkte.

  • Im Rotationsprinzip mit Zeitverträgen wurde im Baugewerbe, Im Tourismus und in haushaltsnahen Dienstleitungen gearbeitet.
  • Zuwanderer kamen zunehmend vom indischen Subkontinent. Ab den achtziger Jahren waren es Arbeitskräfte aus Südostasien. Neben den Beschäftigten in den Niedriglohn-Bereichen? kamen Hochqualifizierte aus Asien, Europa und Nordamerika für die Ölindustrie, das Gesundheits- und Bildungswesen sowie den Ausbau der Tourismusindustrie und Finanzdienstleistungen.
  • Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hatte etwa die Bevölkerung der Vereinigte Arabischen Emirate einen Zuwandereranteil von 70 Prozent (vgl. WINCKLER 2009).
Australien hatte 1947 zu 98 Prozent Bevölkerung europäischer Herkunft mit Dominanz von Briten und Iren. Mit der Öffnung der Zuwanderung aus Asien in den siebziger Jahren wandelte sich die Bevölkerungszusammensetzung. 1995/1996 kamen bereits 40 Prozent aller Zuwanderer aus Asien.

12 Ost-West-Migration? in Europa    

Der Wandel und Zusammenbruch der Sowjetunion Ende der achtziger Jahre sowie die Neugründung von Staaten mit der Auflösung des Warschauer Paktes (1955) führten zum Ende des Kalten Krieges und Öffnung des "Eisernen Vorhanges".

Damit entsteht eine neue Ost-West-Wanderung? in Europa (vgl. OLTMER 2017, 200-206).

Mit der Freizügigkeit in Reisen nach dem Westen der osteuropäischen Bevölkerung, also den Grenzöffnungen 1989/90 und dem starken Anstieg der Zuwanderung reagierten die mittel- und westeuropäischen Staaten zunächst mit Restriktionen. Trotz zeitlicher Aufenthaltsbefristung prägte die Migration die europäische Zuwanderung.

Markant war in der Folge die Osterweiterung der Europäischen Union 2004 und 2007.

  • Zunächst hatten Italien und Griechenland die Folgen albanischer Migration zu tragen.
  • Die Zuwanderung nach Österreich kam aus den Bewegungen in Jugoslawien und dessen Nachfolgestaaten.
  • In Deutschland kam es zur Wanderung polnischer Arbeitskräfte, in Pendelbewegungen oder saisonaler Wanderung. Der Umfang der Bewegungen erweiterte sich auch nach Spanien, Großbritannien, Belgien, Frankreich, Italien und Irland.
  • Mit der Rückkehr von Hochqualifizierten wurde Polen ein Zuwanderungsland (vgl. der Beitritt Polens zur EU 2004).
Massive Fluchtbewegungen ergaben der Balkankrieg, die Konflikte um Slowenien und Kroatien 1991, besonders Bosnien-Herzegowina? 1992 bis 1995 und um den Kosovo 1998/99. Im Kosovo-Konflikt? nahmen Albanien, Mazedonien und Montenegro große Flüchtlingswellen auf.

Minderheiten wie Juden (in Israel), Karelier (in Finnland) und Tschechen (in der Ukraine) fanden Aufnahme. Aussiedler aus Russland kamen nach Deutschland.

Damit kam es konnationalen Gruppen.

13 Weltbevölkerung und Migration    

Folgt man den Angaben der Vereinten Nationen, gab es 1960 rund 3 Mrd., 1974 4 Mrd., 1987 5 Mrd. und 2016 rund 7,3 Mrd. Menschen auf der Erde.

Prognosen nach den UN-Berechnungen? ergeben für 2025 über 8 Mrd. sowie 2030 8,5 Mrd. Menschen. Die Entwicklung der Bevölkerung kennzeichnen zwei Trends: im Norden der Erde stagnierten die Geburtenraten, das Alter nimmt zu. Im Süden der Erde wächst die Bevölkerungszahl und der Anteil der jungen Menschen erheblich.

Der Anstieg der Weltbevölkerung wird demnach durch die ärmere und arme Bevölkerung des Südens hervorgerufen. Massiv ist der Anstieg der 48 am wenigsten entwickelten Staaten, von denen 27 in Afrika liegen (vgl. OLTMER 2017, 206-207).

Das "Vienna Institute of Demography" ermittelte in einer aufwendigen Studie die Zu- und Abwanderung für 196 Staaten, wobei für die vergangenen mehr als fünf Jahrzehnte keine erheblichen Veränderungen des Umfangs der Wanderbewegungen ausgemacht werden.

Der Anteil der Migranten an der Weltbevölkerung lag innerhalb von Fünf-Jahres-Perioden? seit 1960 stabil bei je 0,6 Prozent. In absoluten Zahlen etwa heißt das für die Jahre 2005 bis 2010 41,4 Millionen grenzüberschreitende Migrationen. Nur im Zeitraum von 1990 bis 1995 erreichte der Anteil der Migration mit 0,75 Prozent einen leicht höheren Wert, der vor allem mit migratorischen Folgen der Öffnung des "Eisernen Vorhangs" durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und anderer politischen Systeme im östlichen Europa erklärt werden kann (vgl. ABEL 2016; OLTMER 2017, 208).

Die Daten weisen auf ein relativ niedriges Niveau zwischenstaatlicher Migration und eine ausgeprägte Stabilität über Jahrzehnte hin.

Der größte Teil der Bewegungen innerhalb der Weltregionen findet in Westafrika, Südamerika oder Ostasien statt.

Migrationen über Kontinente fallen kaum in das Gewicht.

Selbst in Deutschland als Staat sei 2010 mit hoher Zu- und Abwanderung finden Bewegungen überwiegend aus Europa statt (vgl. 2014 kamen drei Viertel aller Zuwanderer aus europäischen Staaten).

Zuwanderungen aus der Süden der Welt in den reichen Norden in den vergangenen Jahrzehnten waren gering und werden nach den Prognosen der Vereinten Nationen auch nicht signifikant steigen.

2014 erreichten etwa rund 75 000 Zuwanderer aus Afrika Deutschland, 27 000 wanderten nach Afrika ab. Gründe dafür sind Armut, fehlende Netzwerke und restriktive Migrationspolitiken (vgl. den Mythos einer Invasion aus Afrika in HAAS 2008, 1305-1322).

Die laufende Diskussion um die Zukunft einer alternden Gesellschaft verdeutlicht, sich an einer Orientierung auf qualifizierte Zuwanderer nicht ändern wird. Die Herausforderungen steigen und lassen sich durch Zuwanderung Geringqualifizierter kaum kompensieren.

Ökonomisch attraktive Regionen werden zukünftig auch Bedeutung für Wanderbewegungen haben. Allein 2016 lagen die Geldüberweisungen nach Schätzung der Weltbank bei 440 Mrd. US-Dollar? und übertrafen damit staatliche Zahlungen der Entwicklungszusammenarbeit um fast das Dreifache (vgl. OLTMER 2017, 210).

14 Didaktikmodell/ Lehramt - Migration-Flucht? und Vertreibung    

Lehrplanbezug/Stand 2018

4. Klasse AHS: Modul 7 - Gesellschaftlicher Wandel im 20. und 21. Jahrhundert

Arbeitswissen

Die Lernenden haben die Thematik des Zweiten Weltkrieges bereits im Unterricht erarbeitet: Gründe, Anlass-Verlauf? und Holocaust

Lernende können

- Begriffe zu Flucht und Vertreibung nennen.

- sich mit einer Gedankensammlung und Hilfe des Lehrplans an die Thematik annähern.

- Push- und Pull-Faktoren? für die Migration auflisten.

- mit Quellen und Darstellungen Flucht und Vertreibung arbeiten.

- ihr erlerntes Wissen für eigene Feststellungen verwenden.

- Internetseiten zum Lesen bestimmter Informationen anwenden.

- Ereignisse der Vergangenheit mit Ereignissen der Gegenwart vergleichen.

14.1 Lernziele    

Die Lernenden kennen verschiedene Formen der Migration, etwa Flucht- und Zwangsmigration der Juden im Zweiten Weltkrieg. Sie können dazu Gründe benennen und einen Bezug zur Gegenwart herstellen.

Kompetenzen der Politischen Bildung:

Politische Urteilskompetenz - Feststellung von Interessens- und Standortgebundenheit, Bereich der Beurteilung der Folgen und Auswirkungen politischer Entscheidungen und Urteile

Politischer Sachkompetenz - Bereich der Kategorien und Konzepte

14.2 1 - 3 Einheiten    

1. Einheit:

15 Minuten - Themenvorstellung und Arbeitsblatt 1, Mind-Map?, Überleitung zur Thematik Migration

10 Minuten - Aufgabenerklärung, Bearbeitung der Aufgabe

5 Minuten - Lehrender geht mit Lernenden die Antworten durch

15 Minuten - Lernende erarbeiten Arbeitsblatt 2

- - -

2. Einheit:

10 Minuten - Überleitung zum Thema und Gruppeneinteilung

15 Minuten - Vergleich der Ergebnisse und Entwurf eines INFO-Blattes?

25 Minuten - Zuordnung eines Experten pro Gruppe, Präsentation der Ergebnisse mit INFO-Blatt? und Besprechung

- - -

3. Einheit:

20 Minuten - Bearbeitung des Arbeitsblattes 3 und Besprechung

15 Minuten - Erklärung der Aufgabenstellung im Arbeitsblatt 4, Bearbeitung und Besprechung

10 Minuten - Test des Wissens der Lernenden/Lernzielkontrolle

5 Minuten - Reflexion - offene Fragen

- - -

Arbeitsblatt 1

Gedankensammlung: Begriffsnennung von Flucht und Vertreibung

Zuordnung von Push- und Pull-Faktoren?

- - -

Arbeitsblatt 2

Fragen:

Wie werden Juden auf Plakaten dargestellt?

Welchen Eindruck vermitteln diese Plakate der Bevölkerung?

Welche Auswirkungen könnten diese Plakate auf Juden gehabt haben?

IT-Hinweis?:

https://www.holocaustcenter.org/holocaust-badges (18.1.2018)

Aufgabe:

Edith Wehle ist eine Zeitzeugin und berichtet über ihre Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg. Sieh Dir das Video an und erarbeite die angeführten Aufgaben.

- Beschreibe den Inhalt des Videos.

- Nenne Fluchtgründe für Juden.

- Nenne Vorteile der Flucht und mögliche Zielgruppen.

- Kann man dem Video noch andere Informationen entnehmen?

Lies das folgende Gedicht und die Beschreibung durch. Erarbeite die angeführten Aufgaben.

IT-Hinweis?:

http://www.hagalil.com/archiv/2006/01/selma.htm (18.1.2018)

- Beschreibe das Gedicht "Ich möchte leben".

- Erkläre den Zusammenhang zwischen dem Inhalt des Gedichts und der Flucht der Juden im Zweiten Weltkrieg.

- Beschreibe die Situation, in der das Gedicht möglicherweise geschrieben wurde.

- - -

Arbeitsblatt 3

Erläutere am Hand des erarbeiteten Wissens die Leitfragen. Solltest Du bei der Migration Schwierigkeiten haben, findest Du Informationen auf der folgenden Internetseite:

http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/dossier-migration/56611/migrationsformen (18.1.2018).

Denk beim Erarbeiten der Leitfragen an die Gruppenarbeiten des Arbeitsblattes 1 und 2. Bei den Arbeitsaufträgen hast Du Dich mit Migration beschäftigt.

Leitfragen:

Erkläre

- warum so viele Juden aus Österreich flüchteten.

- Push- und Pull-Faktoren? in Verbindung mit Flucht und Vertreibung.

- um welche Migration es sich bei Flucht und Vertreibung handelt.

- - -

Arbeitsblatt 4

Thema: Österreich damals und heute

Diskutiere mit Deinem Sitznachbar folgendes Thema:

Du hast Dich in den letzten Stunden mit der Vergangenheit Österreichs und der Flucht und Vertreibung von Juden auseinandergesetzt. Du hast herausgefunden, dass es sich bei der Flucht und Vertreibung um eine Form der Migration handelt. Diese wird Fluchtmigration genannt.

Beurteile, ob Österreich heute von Fluchtmigration betroffen ist. Vergleiche dabei die Rolle Österreichs damals und heute.

  • Hat sich die Rolle Österreichs verändert (Flucht/Zuflucht)?
  • Glaubst Du, dass die Fluchtmigration Österreich beeinflusst(e)/verändert(e)?
  • Versuche Einflüsse bzw. Veränderungen der damaligen und heutigen Fluchtmigration zu formulieren.
Tipp:

- Denk an die Flüchtlingskrise.

- Denk an die verschiedenen Kulturen der Migration, die ein anderes Land gebracht werden.

- Denk an die Bevölkerungszahl in Bezug auf Migration.

Herausforderungen - Perspektiven    

Die Aktualität des Beitrages/ der Studie und sein Kontext zu Universität/ Hochschuldidaktik und Erwachsenenpädagogik ergibt sich aus der Notwendigkeit einer weitsichtigen Wanderungspolitik. Hier hilft die Historische Politische Bildung mit ihrem Erkenntnisstand.

  • Ein Didaktikmodell/Lehramt stellt einen Impuls für eine Umsetzung in der Lehre dar.
  • Ohne Zweifel soll das heutige Asylsystem reformiert werden (Stand 2018). Neben der österreichischen Innenpolitik wünscht sich das der EU-Gipfel? der südlichen EU-Staaten? (Rom, Jänner 2018) für den Bereich der Migration mehr europäischer Solidarität.
Neben einem gemeinsamen Asylsystem soll die EU Fluchtursachen bekämpfen und das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei aufrechterhalten.

  • Irreguläre Flüchtlingsströme in Richtung Europa müssen verhindert werden.
  • Dazu müssen die Regierungen bei der Zuwanderung legale Möglichkeiten schaffen.
Wesentlich ist die Unterscheidung zwischen Flüchtlingen und Migranten.

  • Die einen benötigen Schutz vor Verfolgung, die anderen wollen zumeist Arbeit bzw. Ausbildung in Österreich.
  • Kanada macht seit Jahrzehnten vor, wie das funktionieren kann. Über das UNHCR wird ein gewisses Kontingent an Flüchtlingen aufgenommen, andererseits gibt es klare Regeln einer Einwanderung, in welcher Zahl und mit welchen Qualifikationen dies möglich ist (vgl. die Problembereiche eines Bevölkerungsrückganges, des Mangel an Arbeitskräften; vgl. PACK 2018, 1).
Auf der Ebene der Vereinten Nationen gilt Migration schon lange als Chance.

  • Hier sollen unverbindliche Regeln festgelegt werden, wie man von Migration profitieren kann.
  • Es bedarf einer weitsichtigen Politik, die Flucht und Migration in der öffentlichen Diskussion trennt.
IT-Autorenbeiträge?    

Die Autorenbeiträge dienen der Ergänzung der Thematik.


http://netzwerkgegengewalt.org > Index:

Politische Bildung

Interkulturelle Kompetenz

Migration in Österreich

Diakonisches Lernen und Lehren

Erwachsenenbildung

Globales Lernen

Friedenslernen

Literaturverzeichnis    

Angeführt sind jene Titel, die für den Beitrag verwendet und/oder direkt zitiert werden.

Abel G.J. (2016): Estimates of Global Bilateral Migration Flows between 1960 and 2015, Wien

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Dichatschek G. (2021): Interkulturelle Kompetenz. Theorie, Praxis und Handlungsfelder im Kontext Interkultureller Öffnung und Politischer Bildung, Saarbrücken

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Zum Autor    

APS-Lehramt? (VS-HS-PL?) Lehrer, zertifizierter Schüler- und Schulentwicklungsberater (1985, 1999), Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol (1993-2002)

Lehrbeauftragter am Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft/ Universität Wien/Berufspädagogik-Vorberufliche Bildung (1990/1991-2010/2011), am Fachbereich Geschichte/ Universität Salzburg/ Lehramt Geschichte-Sozialkunde-Politische? Bildung/ Didaktik der Politischen Bildung (2016, 2018)

Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche A. und H.B. (2000-2011), stv. Leiter des Evangelischen Bildungswerks in Tirol (2004-2009, 2017-2019), Kursleiter an den VHSn des Landes Salzburg/Zell-See, Saalfelden und Stadt Salzburg (2012-2019)

Absolvent des Instituts für Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/ Doktorat (1985), des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg-Klagenfurt?/ MSc (2008), des 7. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg/ Diplom (2012), der Weiterbildungsakademie Österreich/ Diplome (2010), der Personalentwicklung der Universitäten Wien/ Zertifizierungen (2010) und Salzburg/ 4. Interner Lehrgang für Hochschuldidaktik/ Zertifizierung (2015/2016), des Online-Kurses? "Digitale Werkzeuge für Erwachsenenbildner_innen"/TU Graz-CONEDU-Werde? Digital.at-Bundesministerium für Bildung/ Zertifizierung (2017), des Fernstudiums Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium-Comenius? Institut/ Zertifizierung (2018)

Aufnahme in die Liste der Sachverständigen des NQR/ Koordinierungsstelle des Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR), Wien (2016)

MAIL dichatschek (AT) kitz.net

 
© die jeweiligen Autoren zuletzt geändert am 6. August 2023