Grundwissen Rassismus
Theorie und Praxis im Kontext Politischer Bildung und Interkultureller KompetenzGünther Dichatschek
VorbemerkungRassismus ist kein geschlossenes Konzept und bestimmt Menschen und Gruppen an bestimmten Merkmalen wie Aussehen oder Herkunft in willkürliche Kategorien. Erkennbar ist dies in Denkmustern und Handlungen. Von Interesse für eine Politische Bildung sind die Begriffe Rasse und Rassismus in ihrer historischen und aktuellen Entwicklung. Die Studie beruht auf dem Kenntnisstand der Politischen Bildung und Interkulturalität, ausgehend von Überlegungen zum menschlichen Bedürfnis einer Selbstverortung und Abgrenzung. Ausgangspunkt sind die Absolvierung des
I Rassismus - Theorie und Praxis
1 Begriff und Entwicklung
1.1 BegriffRassismus als Begriff bezeichnet eine bestimmte Form der Handlung (Praxis) und eine bestimmte Form des Denkens (Theorie). Beides ist nicht zu trennen, weil bestimmte Praktiken eine bestimmte Motivation, etwa ein Hass auf den "Anderen", beinhaltet. Damit ist nicht mehr das Handeln, vielmehr die Motivation im Denken entscheidend.
1.2 HistorieHistorisch zeigt eine solche Aufteilung sich hilfreich (vgl. MILES 1991; WERNSING-GEULEN-VOGEL 2021, 13). Es gehört zu den sich entwickelten Eigenschaften, in bestimmten Zusammenhängen ein bestimmtes Denken und damit Handlungsmuster zu knüpfen. In Zeiten unsicherer Ordnungen einer Zugehörigkeit bietet der Rassismus die Möglichkeit einer Zugehörigkeit neu zu begründen und praktisch umzusetzen. Ein bestimmtes Wissen beinhaltet eine rechtfertigende Anleitung zum Handeln. Damit wird die Notwendigkeit einer idealen Ordnung erwünscht und handlungsorientiert angepasst (vgl. BÜHL 2016, 80-125) .
1.2.1 AntikeDer antike Rassismus im alten Griechenland und Rom war vorrangig der Etablierung und Aufrechterhaltung des Sklaventums. Aristoteles (384-322 v.Chr.) bediente sich der Klassifizierung von "Herr" und "Gehorchendem" als natürliches soziales Verhältnis in Gestalt der "Naturalisierung" und dient der Legitimierung der Sklaverei. Daneben begegnet man der Gestalt der "Eugenik". Platon in der Politeia beschreibt das System einer eugenischen Reproduktionsherrschaft von der staatlichen Heiratsvermittlung und reglementierten Zeugung bis hin zur Kindestötung. In Sparta tötete man schwächliche und behinderte Neugeborene (vgl. BÜHL 2016, 80-85). Der Antisemitismus gilt als einer der ältesten Rassismen. Die Hebräische Bibel berichtet von der Schändung des Tempels des seleukidischen Herrschers Antiochos IV. Epiphanes, indem er ein Schwein auf dem Altar schlachtete und das Blut auf Schriftrollen fließen ließ. In römischer Zeit liegt der Antisemitismus begründet in der Unterdrückung der eroberten Völker. Feindbilder wurden im Kontext mit "Jüdischen Kriegen" entwickelt (vgl. Publius Cornelius Tacitus 58-120; BÜHL 2016, 83-84). Die Schriften antiker Philosophen wurden von der europäischen Aufklärung aufgegriffen (vgl. bei Aristoteles vorhandene Vorstellungen aus dem Äußeren des Menschen lassen auf seine seelische Beschaffenheit schließen). Im 4. Jh. prägten die frühchristlichen Kirchenlehrer in ihren Schriften das Judenbild mit dem Vorwurf vom Gottesmord. Ideologisch wurden die Vererbungskonstrukte generiert.
1.2.2 MittelalterIm Spätmittelalter bekam neben der Reinheit des Glaubens und die Reinheit des Blutes als Konzept der Rasse eine zusätzliche Bedeutung, vor allem durch die große Anzahl von Muslimen und Juden wollte man so eine unsicher gewordene Ordnung regeln. Die Fremdgruppe der Nichtchristen wurde als "Heiden" benannt. Die Abweichler der christlichen Rechtsgläubigkeit nannte man "Häretiker" (vgl. BÜHL 2016, 85-89). Der Antisemitismus wirkte auf die soziale Lage der Juden mit der Ausgrenzung aus der Feudalgesellschaft, die christlich definiert war (vgl. das Verbot einer Mitgliedschaft in den Zünften und eines Erwerbs von Grundbesitz). Die Kreuzzüge verschärften 1096 die Situation mit Plünderungen und Massenmorden (Pogromen) sowie der Unterstellung Verbündete der Muslime zu sein. 1321 wurden Juden in Frankreich der Anstiftung zur Brunnenvergiftung bezichtigt. Der französische König nützte zudem die Stimmung, sich er Güter von Juden zu bemächtigen. 1215 im Laterankonzil führte das von Innozenz III. erlassene Zinsannahmeverbot zum rassistischen Stereotyp des "Wucherjuden". Ritualmordvorwurf und Anklage des Hostienfrevel verfolgten die Motive einer Kriminalisierung. In der Folge wurde das Motiv als "Christusmörder" verbreitet. Bekleidungsvorschriften wieder durch das IV. Laterankonzil 1215, wie der gelbe Stern, mussten seit dem 13. Jh. in vielen Ländern befolgt werden. Zur Demütigung und Verhöhnung gehörte auch die "Judensau", Skulpturen an Kirchen und in der Folge typographische Motive in Flugschriften, zu sehen eine Sau, an deren Zitzen sich als Juden konstruierte Personen säugen. Der antimuslimische Rassismus spielte ebenfalls ein Rolle, Muslime benannt als "Sarazenen", "Häretiker" oder "Mauren" und als Rassismus im französischen "Rolandslied" im 12.Jh. und spanischen Heldenlied "Cantar de Mio Cid" im frühen 13.Jh. Es existierte kein antinegrider Rassismus, allerdings wurden gedanklich erste Grundlagen gelegt. Die Pest wurde als später als "Schwarzer Tod" benannt, die Hölle mit einem dunkelhäutigen Teufel illustriert, Dunkelsein bekam den Charakter von Gottlosigkeit. Hellsein und Weißsein wurde mit dem Himmel verbunden. Im Spätmittelalter mit dem Drang nach Osten mit der Missionierung und Kolonisierung wurde die Grundlage des Antislawismus gelegt. Im Mittelalter wurde eine intolerante Dominanzkultur entlang des Religiösen etabliert. Das "Andere" wurde in verschieden Formen verfolgt. Übergänge von der Fremdgruppe in die Wir-Gruppe waren noch möglich, allerdings mit der Aufgabe kultureller Identität in Form der Taufe bzw. Widerrufung (vgl. Benennung als noch "Prärassismus").
1.2.3 FrühneuzeitDas Jahr 1449 hat zentrale Bedeutung in der Geschichte. Für den Rat von Toledo wurden vom spanischen Großinquisitor Torquemeda "Statuten für die Reinheit des Blutes" (Estatudos de limpieza de sangre) als ein Rassekonstrukt verfasst, das Unterschiede in Wir-Gruppe und Fremdgruppe als Differenzkriterium verfasst. Die Funktionalität der Staturen war vielfältig in der Vergabe von Ämtern und Positionen in der Kirche, Behörden und beim Militär sowie sogar bei der Zulassung von Zeugenaussagen vor Gericht in Spanien und den Kolonien (vgl. BÜHL 2016, 89-90). Am 31. März 1492 erging das "Alhambra-Edikt" von Isabell I. und Ferdinand II. mit der Vertreibung der Juden (vgl. die Nationalstaatenbildung Spaniens in der Verbindung von Nationalismus und Rassismus in der Fiktion eines kulturell homogenen Staatsvolkes). In der Folge hat sich der Begriff "Race" im Spanischen durchgesetzt. Relevant ist auch die Reformation mit ihrer Rassismustheorie, wie sie sich antisemitisch vom Judentum und antimuslimisch vom Islam abgrenzt. In der Bußpredigt "Von den Juden und ihren Lügen" 1543 ruft Luther die Fürsten zu Gewalt gegen die Juden auf. In den "Türkenschriften" diffamierte Luther die "Türken" als Antichristen, einem falschen Propheten folgenden, dem Koran als Bibelplagiat, dem Islam als intolerante Religion und Mohammed als Gottesleugner. Die Reichstage 1496 und 1498 erklären die Roma und Sinti für vogelfrei und bezichtigte sie, Spione der Türken zu sein und mit ihnen zu paktieren ( vgl. BÜHL 2016, 92-93). Die Rassendiskurse unterschieden sich in dieser Epoche durch die Einführung des sozialen Konstrukts "Race" mit einer konstruierten "Wir-Gruppe" und "Fremdgruppe". 1.2.4 18. und 19. JahrhundertIm 18. Jahrhundert bekam der Rassismus eine rechtfertigende Funktion. Die Konzepte der Gleichheit, Freiheit und brüderlichen Menschheit mit globaler Gleichberechtigung widersprachen den kolonialen Bemühungen der Europäer bei den zu kolonisierenden außereuropäischen Kulturen. Im 19. Jahrhundert weitete sich der koloniale Konkurrenzkampf weiter aus. Die Folge war ein Rassismus mit der Idee, dass die Existenz anderer Rassen eine Gefahr für die eigene sei. Damit war der Grundgedanke eines modernen Rassismus geschaffen. Die Idee, das "Andere" und "Fremde" gefährde das Eigene, auch wenn der Begriff "Rasse" fehlt, bedeutet jedoch Rassismus. Äußere Unterschiede zwischen Menschen als Rassendifferenzen bzw. biologistischer Rassismus zu sehen und zu übersetzen als Fremdheit, Andersartigkeit und Nichtzugehörigkeit, bedeutet vermitteltes Wissen. Der biologistische Rassismus ist mit dem Zeitalter des Imperialismus eng verbunden. Theoretisch soll die eigene Überlegenheit und die Minderwertigkeit der Eroberten bzw. Unterdrückten begründet werden (vgl. im Folgenden BÜHL 2016, 98-110).
Literaturhinweise Galton Francis (1909): Essays in Eugenics, London Grattenauer Karl Wilhelm Friedrich (1803): Wider die Juden, Berlin Gumplowicz Ludwig (1883): Der Rassenkampf, Innsbruck Lagarde Paul de (1924): Schriften für das deutsche Volk, München Rohling August (1871): Der Talmudjude. Zur Beherzigung für Juden und Christen aller Stände, Münster Treitschke Heinrich von (1909): Bilder aus der deutschen Geschichte, Leipzig Treitschke Heinrich von (1924): Aufsätze, Reden und Briefe, Meersburg Morton Samuel George (1839): Crania Americana, Philadelphia
1.2.5 20. JahrhundertDie Stereotypen des 20. Jahrhunderts zeigen sich in den Formen von Körperbildern, die Rassenunterschiede belegen sollen. Bedeutung erhalten Ausstellungen, Museumsarbeit und politische Ideologien. Die Verbreitung rassistischer Theorien wird durch moderne Medien unterstützt. Zudem kommen Ausstellungen und Bilder zur Unterstützung einer Rassenpolitik.
2 Alltagsrassismus
2.1 Fremdbestimmmte IdentitätenIn den letzten Jahrzehnten gab es für die Gruppe einer fremdbestimmten Identität verschiedenste Bezeichnungen, die zu einer Exklusion führten, so Gastarbeiter, Ausländer, Einwanderer, Asylanten, Migranten und Personen mit Migrationshintergrund. Die Menschen lehnten ihre Zugehörigkeit ab. Mitglieder einer größeren Gruppenanzahl gehören zu einer Staatsangehörigkeit, einem Wohnort, Geschlecht, geographischen Herkunft und einer Berufsgruppe. Jedes Kriterium verleiht eine bestimmte Identität, die als eine einzige Zugehörigkeit verstanden wird. Dennoch spielen Aussehen, sprachliche Ebene, sozialer - kulturell-religiöser Status und Bildungshintergrund eine Rolle und ergeben persönliche Erfahrungen mit Diskriminierung, Übergriffen, Benachteiligungen und Alltagsrassismus.
2.2 Legitimierung von Gewalt und UnterdrückungDer Alltagsrassismus ist ohne den historischen Kontext und die historische Dimension nicht zu verstehen. Die weißen Europäer erfanden den Umstand weißer Überlegenheit, um den Kolonialismus und den Sklavenhandel zu legitimieren (vgl. KENDI 2017, 28-29). Entwickelt wurden Bilder und Darstellungen, um die Annahme zu untermauern. So haben sich rassistische Ideen eingeprägt, die zu einem Verhalten vom Gewalt und Unterdrückung führten (vgl. KENDI 2017, 19). Wer mit solchen Ideen aufwächst, lernt rassistische Ideen, man kann sie auch verlernen (vgl. Interkulturelle Kompetenz). IT-Hinweis https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/5594_akt_tb110_alltaeglicher_rassismus_aufl2_online.pdf (24.3.23)
3 Koloniale Gewalt
3.1 Unterwerfung und HerrschaftspraxisKolonialismus als koloniale Herrschaft beruht auf Unterwerfung der Kolonialisierten durch Europäer. Das Recht auf Selbstbestimmung wurde abgesprochen, "Zivilisierung" war eine gewaltsame Herrschaftspraxis. Dazu gehörten die Prügelstrafe, Zwangsarbeit und die Beschlagnahme von Besitz (vgl. WERNSING-GEULEN-VOGEL 2021, 106, 110). Betrachtet haben sich die Europäer als überlegene weiße Rasse (vgl. die angeführten IT-Buchhinweise). Ein Widerstand der Einheimischen wurde brutal niedergeschlagen. Koloniale Gewalt äußerte sich mit dem Ziel einer Abschreckung. IT-Buchhinweise Rassismus in der Geschichte https://www.wochenschau-verlag.de/Rassismus-in-der-Geschichte-Das-koloniale-Erbe/41622 (21.3.2024) Rassismus in Biographiearbeit
3.2 KolonialverbrechenBeispielhaft ist das Verhalten deutscher Kolonialsoldaten im ehemaligen "Deutsch-Südwestafrika" (Namibia). Die Kolonialverbrechen europäischer Staaten wurden bisher kaum aufgearbeitet. Besonders gewaltsam ging das Kolonialmilitär, bezeichnet als "Schutztruppe", gegen die ansässigen Nama, Herero, Damara und Sana vor. 1907 erfolgte die Niederschlagung des Widerstandes, historisch der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts. Im ersten deutschen, offiziell so bezeichnet, Konzentrationslager auf der Halbinsel in der Lüderitzbucht fanden Tausende an Unterernährung und dem rauen Klima den Tod. Später im Nationalsozialismus gibt es einige Generäle in hoher Position. Das Uniformhemd des Kolonialmilitärs ("Lettow-Hemd") wurde das Vorbild für das "Braunhemd" der Sturmabteilung (SA).
4 Reflexion
4.1 Migration und GlobalisierungDie heutige Gesellschaft lebt in kultureller, sozialer und religiöser Vielfalt . Zahlreiche Menschen haben eine Migrationsgeschichte und kennen die Phänomene von Migration und Globalisierung (vgl. Flucht, Asyl - EU-Binnenwanderung - ERASMUS-Aufenthalte, internationaler Tourismus - Globalisierung in Wirtschaft, Bildung, Kultur und Medien). Dennoch gibt das Phänomen des Rassismus im Alltag, in der Politik und in Bildungseinrichtungen. Rassismus ist bequem, eine globalisierte Welt lässt sich in eine scheinbar einfache Ordnung einteilen. Vorurteile, mangelhaftes und kritikloses Wissen sind tief verankert (vgl. EU 2000)
4.2 Interkulturelle KompetenzDie Frage und der Auftrag lautet daher, wie man derartige Strukturen abbauen kann. Neue Denkräume müssen zukunftsträchtige Debatten eröffnen, unterschiedliche Aspekte ermöglichen und neue Verbindungen mit Möglichkeiten aufzeigen. Gefordert ist eine Politische Bildung und Interkulturelle Kompetenz in einer postmigrantischen Gesellschaft. IT -Hinweis Transkulturelles Management https://integrationsfonds.eyepinnews.com/lw7ZKKjIyz1nkXt7D (21.3.2024)
4.3 Aktueller RassismusDie jeweiligen Rassismusberichte am Beispiel Österreich weisen auf die Vielfalt und Notwendigkeit soziokultureller und allgemeiner politischer Maßnahmen hin.
5 BuchbesprechungenAlthoff Nina (2006): Die Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen der Rasse und der ethnischen Herkunft in der Europäischen Gemeinschaft ausgehen von Art 13 EG, Frankfurt/M.-Bern, Peter Lang Verlag der Wissenschaften, ISBN 3631 5468 23 Diskriminierungen aus Gründen der "Rasse" und der ethnischen Herkunft sind keine rückläufigen Phänomene, sondern nehmen in allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft zu. Durch die Einführung der Nichtdiskriminierungsklausel des Art 13 EG möchte die Gemeinschaft ein einheitliches Vorgehen und eine potentielle Einwirkungsmöglichkeit entwickeln. So eröffnet Art 13 EG neue Perspektiven für die Nichtdiskriminierungspolitik Europas. Die Publikation widmet sich insbesondere der Untersuchung des vorhandenen Instrumentariums. Festzustellen ist, inwieweit Art 13 EG und seine bisherige Umsetzung dem dringenden europaweiten Bedarf nach einer bisherigen Umsetzung einer Nichtdiskriminierungspolitik gerecht werden, inwiefern die Gemeinschaft diesbezüglich verbesserungsbedürftig ist und in welcher Weise sie verbessert werden kann.
Benz Wolfgang (1995): Der Holocaust, München, C.H. Beck, ISBN 3 40639822 7 Als Holocaust-Forscher zeichnet der Autor die Geschichte des Völkermordes an den Juden von der Ausgrenzung und Entrechtung bis zum industrialisierten Massenmord in den Vernichtungslagern nach. Sein Augenmerk gilt dabei nicht nur den Tätern, sondern vor allem auch den Opfern selbst. Neben die Geschichte der Verfolger tritt die Geschichte der Verfolgten. Ein eigenes Kapitel ist dem oft vernachlässigten anderen Völkermord an den Sinti und Roma gewidmet.
Delacampagne Christian (2005): Die Geschichte des Rassismus, Düsseldorf, Artemis-Winkler, ISBN 3-538-07206-X Die wichtigsten historischen Etappen des Rassismus seit der Antike werden behandelt, von der Judenfeindschaft im Mittelalter als Vorstufe des modernen Rassismus bis in die Zeit der kolonialen Eroberungen. Opfer sind nun die Indianer und die Schwarzen in Amerika. Es entsteht die Idee einer weißen oder germanischen "Herrenrasse", die dem Nationalsozialismus die ideologische Rechtfertigung für den millionenfachen Mord an Juden, Sinti und Roma lieferte. Vehement wird der Rassismus der Gegenwart in Europa, auch in den vielen Weltregionen verübte Völkermord aus rassistischen Motiven verurteilt.
Hund Wulf D. (2007): Rassismus, Bielefeld, Transcript, ISBN 978-3-89942-310-5 Rassismusanalyse beschäftigt sich nicht mit dem Rassismus, vielmehr mit unterschiedlichen "Rassismen". Rassismus wird in seinen sozialhistorischen Ausprägungen und Verbindungen mit anderen Formen sozialer Diskriminierung untersucht. Der Band diskutiert die Ansätze und die damit verbundenen Probleme in drei Kontexten: kategorial im Hinblick auf zentrale Begriffe der Forschung, historisch im Zusammenhang mit den Formen rassistisch bestimmter Inklusion und Exklusion und politisch auf Methoden und Funktionen rassistischer Vergesellschaftung.
Geulen Christian (2008): Geschichte des Rassismus, Bonn, C.H. Beck, ISBN 978-3-406-53624-3 Rassismus begleitet in schriftlicher und bildlicher Überlieferung seit der Antike die Ausgrenzung bestimmter Gruppen. Mit der Entstehung des Begriffs Rasse und der Anwendung auf menschliche Gruppen gegen Ende des 15. Jahrhunderts beginnt die Geschichte des Rassismus. Die Publikation spannt einen weiten Bogen von der Sklavenhaltung in der Antike über den Umgang mit Juden und Häretikern im Mittelalter. den frühneuzeitlichen Kolonialreichen und den Evolutionismus des 19. Jahrhunderts bis zum 20. Jahrhundert mit der Eskalation rassistisch motivierter Gewalt. Rassismus beginnt, so die zentrale Aussage, wo die Menschen meinen, die Bekämpfung des "Fremden" mache die Welt besser.
Sow Noah (2008): Deutschland Schwarz Weiss. Der alltägliche Rassismus, München, Bertelsmann Verlag, ISBN 3570010082 Wir wachsen mit vielfältigen Rassismen auf. Kinder spielen "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann" und singen "Zehn kleine Negerlein" im Kindergarten und finden es normal. Wer gefragt wird, ist natürlich gegen Rassismus. Dazu bedarf es eines Verständnisses. Vorstellungen und Gewissheiten müssen hinterfragt werden. Vor dem Hintergrund langjähriger Erfahrung mit Antirassismusarbeit legt Noha Sow den Finger in die Wunde des unbewussten Rassismus und sorgt für eine Menge erkenntnisreicher Stolpersteine. Die Publikation ist ein Angebot für mehr Fairness und Normalität.
Günther Dichatschek (2020): Migration in Österreich, Saarbrücken, Akademiker Verlag, ISBN 978-620-0-67096-0' Sieht man Migration ohne moralische Vorurteile, kommt man bei Beachtung ökonomischer und sozialer Aspekte zu tragfähigen Schlussfolgerungen. Eine mäßige Einwanderung hat ökonomisch günstige und sozial zweideutige Folgen für die einheimische Bevölkerung. Kulturelle Vielfalt steht gegenseitiger Rücksichtnahme und Schwächung des Sozialsystems durch Auslandsgemeinden gegenüber. Die Publikation weist ausführlich auf ein traditionelles Migrantentum, Interkulturalität und Interkulturelle Kompetenz, Bildungs- und arbeitsmarktpolitische Konsequenzen, Integrationsbemühungen, Problembereiche der Migration und die Migration im 20. und 21. Jahrhundert hin. Ein eigenes Kapitel ist der "Globalen Migration" gewidmet.
II Weiterbildung Interkulturelle Kompetenz/ ICCAls pädagogische Herausforderung wird als Grundlage aus Autorensicht eine Interkulturelle Kompetenz/ "Intercultural Competence" (ICC) für Lehrende gesehen und zusammenfassend in Kurzform dargestellt.
6 Interkulturelle KompetenzDie Notwendigkeit einer Interkulturellen Kompetenz/ Interkulturalität (in Verbindung mit interkulturellem Lernen) - definiert vom Autor als Fähigkeit, mit Personen anderer Kulturen selbständig, kultursensibel und wirkungsvoll sowie handlungsbereit interagieren zu können (interkulturelles Wissen, interkulturelle Sensibilität, interkulturelle Handlungskompetenz) - ergibt sich aus dem Zusammenleben und der Kooperation von Menschen unterschiedlicher Herkunft, wobei Orientierungslosigkeit, Unsicherheit, Missverständnisse, Vorurteile und Konfliktbereiche zu vermeiden sind (vgl. HUNFELD 2004, 365-366; PRIES 2001; HERBRAND 2002, 33-34; DEARDORFF 2009; FISCHER-SPRINGER 2011; THOMAS 2016, 266-268). Der Aneignungsprozess geht über familiäre, schulische, außerschulische, kulturelle, religiöse, politische und berufliche Sozialisation, wobei Grundlagen pädagogische, rechtliche, kulturelle, religiöse, politische und berufliche Werte und Normen entsprechende Kompetenzen - Wissen, Haltungen und Handlungen - mit Aspekten einer Interkulturalität ergeben. Es geht demnach um eine bessere Bewältigung von interkulturellen Lebenszusammenhängen (vgl. BOLTEN 2007, 113). Wenn Hans HUNFELD von der Normalität des Fremden spricht, so mag das 1991 utopisch geklungen haben. Heute ist "Anderssein" die Regel, nicht die Ausnahme. Interkulturalität gehört zur Norm. "Naheliegend wäre entsprechendes Verhalten: mit der eigenen und der fremden Andersheit unbefangen und wie selbstverständlich umzugehen" (HUNFELD 2004, 365). In diesem Zusammenhang ist auf den Begriff Kultur einzugehen, damit ein besseres Verständnis von interkultureller Bildung erreicht werden kann. Kultur ist gesamtgesellschaftlich zu sehen. Bereiche und Ausdrucksformen ergeben sich einmal aus der Auseinandersetzung mit den materiellen Lebensbedingungen (Technik, Arbeit/Organisation - Normen und Wertbildungen) und zum Anderen aus den Qualifikationsanforderungen, dem Konsumverhalten und Lebensstandard. Die Wissenschaft beeinflusst ebenfalls kulturelles Verhalten. Demnach beeinflusst Kultur die Produktionsverhältnisse (Produkte, Formen der Arbeit), die sozialen und politischen Gegebenheiten (Normen, Werte, Riten, Gesetze, Institutionen, Parteien) und die geistigen Äußerungen (Wissenschaft, Kunst, Sprache, Literatur). Diese Gesamtheit ist Ausdruck eines geschichtlich gewachsenen Niveaus in Form der Schaffenskraft von Menschen. Kultur entsteht nicht als Einzelleistung, vielmehr ist sie Ergebnis von Theorien, Kooperationen und Erfindungen/Entdeckungen. Durch Umgestaltung von Lebensbedingungen ändern sich prozesshaft die Kommunikation, soziale Beziehungen und Lebensäußerungen. Traditionen können durchaus in neuen Wertesystemen bestehen bleiben. Ethnozentrische Haltungen, die eine Kultur zum alleinigen Maßstab ergeben, sind abzulehnen. Ebenso ist ein Kulturrelativismus mit gleichberechtigten Kulturen in einer Gesellschaft nicht förderlich. Eine kritische Überprüfung politischer Kulturen ist notwendig (vgl. die Intentionen Politischer Bildung). Kultur dient der Deutung und Orientierung menschlichen Handelns. Vermittelt wird sie durch Erziehung und Sozialisation, die von dem sozialen Status, Bildungsteilhabe und gesellschaftlicher Partizipation abhängt. Denkmuster werden unbewusst aufgenommen und verinnerlicht. Dadurch können gedankliche Stereotypen und damit Vorteilsbildungen aufgebaut werden. Damit verläuft die Weitergabe nicht immer reibungslos und erfährt individuelle Aneignungsformen. Kultur ergibt nach der gesellschaftlichen Gruppierung, Schicht, Klasse und Elitenbildung. Durch internationale Wanderungsbewegungen kommt es zu Vermischungen, Berührungen und ein Ineinandergehen von Kulturen. Dies gilt heute insbesondere auch durch die Massenkommunikation (Massenmedien) und ihre Beeinflussung. In der interkulturellen Bildung zeigt sich dies in der Kultur des Aufnahmelandes und des Herkunftslandes. Migranten sind überdies nicht nur Arbeitskräfte, vielmehr auch Familienmitglieder, Schüler/Studierende und politisch-kulturell-sozial Interessierte. Demnach geht es um das pädagogische Handeln mit der Andersartigkeit, um kulturelle Identität und kulturelle Stabilität. Dass dies mit Veränderungen im Aufnahmeland zu tun hat, versteht sich von selbst (Tagesablauf, Gemeinschaftsleben - Bildungssystem, Berufsleben). Elemente der Heimatkultur zu bewahren zeigt sich im muttersprachlichen Unterricht in der Schule und/oder im Fach Religion.
Kulturkonflikte zu vermeiden, die Chancen einer Vielfältigkeit zu nützen, ist Aufgabe interkultureller Bildung geworden. Im Folgenden sollen ausgehend vom Begriff Interkulturelle Kompetenz pädagogische Folgerungen näher ausgeführt und dargestellt werden.
6.1 KompetenzbegriffDie Einführung des Kompetenzbegriffs ist vor dem Hintergrund eines wachsenden Bildungssystems und rasanter Wissensentwicklung mit Fachdisziplinen zu sehen. Hanspeter MAURER und Beat GARZELER (2005, 148) beschreiben Kompetenzen als "[...]Fertigkeiten, Eigenschaften oder Haltungen, die es ermöglichen, Anforderungen in komplexen Situationen erfolgreich und effizient zu bewältigen." Kompetenzen sind demnach Fähigkeiten, Ressourcen oder Potenziale zielorientiert, kreativ und funktional miteinander zu kombinieren. Fachwissen, methodische Kenntnisse, Zielorientierung, persönliche und soziale Handlungsmotivation und Handlungsfähigkeit zeigen an, dass es hier um mehr geht als um Fertigkeiten("skills"). Kompetenzen ermöglichen in vorher unbekanntem und konkreten Handeln kreative Lösungswege zu finden (vgl. TREICHEL-MAYER 2011, 271). Aktiviert werden demnach Fachkompetenz, Methodenkompetenzen, Sozialkompetenzen, Selbstkompetenzen und Handlungskompetenzen. "Kulturelle Kompetenz beinhaltet die kognitiven, affektiven, persönlichen und sozialen Fähigkeiten zur Nutzung kultureller Ressourcen" (TREICHEL-MAYER 2011, 272). Interkulturelle Kompetenz ermöglicht, die Unterschiede zu einer anderen Kultur - Werte, Lebensweisen, Einstellungen - zu erkennen und zu verstehen, die Differenzen zur eigenen Kultur und zu eigenen Ressourcen und Interessen zu definieren, wertschaffende Methoden und Techniken zu entwickeln, um mehrwertorientiert Bedeutungen und Handlungen aktivieren und interagieren zu können (vgl. TREICHEL-MAYER 2011, 273-274). Weil die Wahrnehmung von Unterschieden dazu führt, das eigene Wesen als überlegen bzw. unterlegen einzuschätzen, ergibt sich tendenziell eine Unterscheidung im interkulturellen Kontakt mit Stereotypen, nach BHABHA (2000) stereotyp kolonial. Interkulturelle Kompetenz wird angewendet in internationalen Interaktionen, innerhalb pluraler Gruppen, Gesellschaftsformen mit kultureller Vielfalt, neuen sozialen Systemen in differenzierten Gesellschaften und im Umgang mit internationaler Migration. Voraussetzung ist die Kenntnis der eigenen Kultur, des eigenen Denkens und eines eigenen Weltbildes. In jedem Fall verbleiben offene Fragen. Interkulturalität betont eher Aspekte der Differenzen und bemüht sich um das Verstehen des "Fremden" und "Anderen". Transkulturalität betont die Aspekte des Gemeinsamen und sucht nach Anschlussmöglichkeiten im "Eigenen", im Lernprozess tritt zum Fremdverstehen das Selbstverstehen. Dieter MERTENS (1974) entwickelte Schlüsselqualifikationen mit dem Ziel einer Vorbereitung auf ein möglichst hohes Transfer und einer Flexibilität auf neue Anforderungen. In der Folge wurden ähnliche Ziele mit den Konzepten von "life-long-learning" und "Lernen des Lernens" eingeführt (vgl. FISCHER 2011, 334). Eckhard KLIEME (2004, 10-13) kritisiert bei der "Interkulturellen Kompetenz" die unklare Angrenzung von affektiven Aspekten und Einstellungen bei unterschiedlich zu bewertenden Niveaus. Für bestimmte Teilkompetenzen bedarf es einzelner Lernziele wie etwa die Stärkung von Subjektivität, Selbstverwirklichungsinteressen und Persönlichkeitsbildung, wie sie für Migrantinnen und Migranten notwendig sind. Von Interesse ist Oskar NEGTs Gegenkonzept (1997, 89-102) mit einer Identitätskompetenz, technologischen Kompetenz, Gerechtigkeitskompetenz, ökologischen Kompetenz, historischen Kompetenz und ökonomischen Kompetenz. In weiten Bereichen des Alltags bedarf es, nicht nur bei Migrantinnen und Migranten, einer interkulturellen Kompetenz, will man im Hinblick auf die zunehmende Internationalität und Globalisierung entsprechende Qualifikationen benennen können. Alexander THOMAS versteht im interkulturellen Handlungsspiel die Vermeidung von Missverständnissen und die Nutzung einer gemeinsamen Problemlösung von allen beteiligten Personen. Diesem Ansatz wird allerdings Zweckrationalismus vorgeworfen (vgl. THOMAS 2003, 137-141). Alois WIERLACHERs Gegenposition, interkulturelle Begegnung soll persönlicher Weiterentwicklung aller Beteiligten dienen, wird Idealismus vorgeworfen, da die Position ökonomische, politische, rechtliche und soziale Rahmenbedingungen ignoriere (vgl. WIERLACHER 2003, 216; FISCHER 2011, 338). Die Frage nach der Einordnung kulturspezifischer oder kulturübergreifender Kompetenz geht auf die Tendenz von Kultur nach ethno-nationalen Kriterien ein, was heute nicht mehr haltbar ist. Paul MECHERIL (2003, 198; 2004, 106-132) definiert demnach interkulturelle Kompetenz als Fähigkeit der Verarbeitung von Erfahrungen von kultureller Differenz und Fremdheit. Es zeigt sich, dass der Kulturbegriff entscheidend ist und letztlich erweitert werden muss (ausführlich dazu und erweiternd Punkt 2.2). Wolfgang WELSCH hat mit dem Begriff Transkulturalität die Vorstellung einer geschlossenen Nationalkultur einer Kritik unterzogen (vgl. WELSCH 1992, 5-20; 1999, 45-72). Dieses Modell geht davon aus, dass im Gegensatz zu dem aus dem 18. Jahrhundert stammenden an Nationalität, Ethnie oder einem geographischen Raum orientierten Kulturbegriff Kulturen sich in einer modernen Gesellschaft gegenseitig durchdringen und miteinander verflochten sind (vgl. FISCHER 2011, 33). Der Wortbedeutung von "trans" entsprechend ist die heutige Situation der Kulturen "jenseits" der alten. Es gibt keine klaren Abgrenzungen, vielmehr Verflechtungen und Gemeinsamkeiten (vgl. LANGENOHL-POOLE-WEINBERG 2015). Verfolgt man den Diskurs in der Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft zum Kulturbegriff, so spricht man nicht von Kultur als nationaler und homogener Einheit, sondern von Kultur als "Konstrukt" bzw. von "Kulturen", die verschiedene Merkmale wie regional, sozial, Geschlecht, Status und Berufsgruppe aufweisen (vgl. NIEKE 1995, 42-43). Konsequent spricht Hubertus SCHRÖER von Interkulturalität, die das Verhältnis zwischen unterschiedlichen Lebensformen formuliert, etwa Unterschiede des Geschlechts, der sozioökonomischen Lage, des Alters, Religion, körperlicher Ausstattung und sexuellen Orientierung sowie verschiedenen Betriebs- und Verwaltungskulturen (vgl. SCHRÖER 2011, 307-322). Hinzuweisen ist auf die "Essentialisierung", die Zuschreibung bestimmter kultureller Merkmale im Sinne von Wesenszügen für Mitglieder einer ethnischen Gruppe. Hier werden häufig der Austauschprozess zwischen den Kulturen und die "Verflüssigung kultureller Muster" nicht berücksichtigt (vgl. FISCHER 2011, 341). Ebenso findet sich Kritik an der Ausklammerung sozioökonomischer Grundlagen menschlichen Zusammenlebens, die zu Ungleichheiten und Benachteiligungen führt. Migrantinnen und Migranten würden lediglich kulturell verschieden wahrgenommen, verstärkt etwa durch Neigung zur Selbstethnisierung. "Dass sie aber aufgrund ihres benachteiligten ausländerrechtlichen Status, fehlender sozioökonomischer und qualifikatorischer Ressourcen schlechter gestellt sind und daher marginalisiert werden, würde bei einer solchen Sicht ignoriert. Die kulturelle Differenz spiele stattdessen eine primäre Rolle bei der Suche nach Erklärungen für das Anderssein" (FISCHER 2011, 342; vgl. HAMBURGER 2009, 190). Dieser Diskurs hat demnach Konsequenzen für pädagogische Bemühungen für die Klientel der Zuwanderer, worauf in der Folge einzugehen ist.
6.2 Entwicklung kulturalistischer Ansätzen zu reflexiven PerspektivenMit diesem Ansatz ist Paul MECHERILs Konzept angesprochen, das im Folgenden vorgestellt und referiert wird (vgl. MECHERIL 2004, 106-132). Ausgehend von Wolfgang KLAFKIs Analyse der "Grundzüge eines neuen Allgemeinbildungskonzepts" (1996) mit dem Spannungsverhältnis zwischen dem Recht auf nationale Besonderheit und kulturelle Identität sowie dem Erfordernis interkultureller Offenheit und Verständigung entstand in der Folge eine eigenständige Interkulturelle Pädagogik. Leitende Motive dazu sind das Eintreten für
Aspekte sind etwa die Konfliktseiten interkultureller Begegnungen und die Kommunikation. Man geht davon aus, dass ein Defizit in der professionellen Möglichkeit der Auseinandersetzung mit Fremdheit und Differenz durch den Erwerb und die Bestärkung spezifischer Handlungspotentiale behoben werden kann (vgl. MECHERIL 2004, 108). Im Folgenden geht es um eine Kritik kulturalistischer Ansätze, reflexiver Konsequenzen aus der Kritik und die interkulturelle Perspektive. Die Kritik setzt an in der Verwendung der Blickrichtung "Kultur" zur Analyse von Kommunikation zwischen ethnisch-kulturellen Minderheitsangehörigen und ethnisch-kulturellen Mehrheitsangehörigen, zwischen Migrationsanderen und Nicht-Migrationsanderen. Konsequenzen sind zunächst in reflexiver Art zu ziehen. Individuen sind ihrer gesellschaftlichen Position zu betrachten und erst in der Folge sind Absichten zu formulieren sowie Handlungsmöglichkeiten vorzunehmen. Die Frage nach den Gründen für eine Verwendung von Instrumentarien ist zu stellen (vgl. MECHERIL 2004, 114). Reflexiv besteht die Konsequenz im Deutungsmuster von Kultur, das in der Selbst- und Fremdbeschreibung von Handlungssubjekten vorkommt. Eine Kulturalisierungskritik hat die folgenden Tendenzen (vgl. MECHERIL 2004, 114-125):
Alternativ wäre zu bedenken, dass eine Gleichzeitigkeit von Verstehen und Nicht-Verstehen, eine selbstironische Fehlerfreundlichkeit und kulturelle Differenz anzuerkennen sind (vgl. MECHERIL 2004, 127-132).
6.3 Pädagogische FolgerungenDie beschriebene interkulturelle Kompetenz realisiert sich demnach auf der Interaktions- und Kommunikationsebene in face-to-face-Kontakten, bei denen die Personen wechselseitig in Kontakt treten. Eine entsprechende Didaktik hat diesem interkulturellen erkenntnistheoretischen Modell Rechnung zu tragen. Als Kompetenz bedeutet das für pädagogisch Handelnde die Erkenntnis,
Als Beispiel in der angelsächsischer Literatur geht es bei "key qualifications" im interkulturellen Kontext um
Diese Profile beziehen sich auf die Bewältigung von Problembereichen der Gegenwart mit gesellschaftlichen und individuellen Auswirkungen, damit um einen Beitrag zur Inklusion in der Gesellschaft. Die Vielfalt kultureller Deutungsmuster soll dazu befähigen, sensibel mit erfahrbaren biographischen, milieuspezifischen, subkulturellen und spezifischen Kulturausdrucksformen umzugehen und Diskriminierungen zu vermeiden. Personenzentrierte Haltungen wie Empathie, Authentizität, Akzeptanz, Ambiguitätstoleranz und Konfliktfähigkeit sollen den Zugang zu Menschen aus anderen Herkunftskulturen und Milieus erschließen. Letztlich bedarf es eines Abbaues von Zugangsbarrieren, um Bildung und Öffnung von Organisationen für gesellschaftliche Partizipation, Berufsausübung, Kultur- und Religionsbelange und die Alltagsbewältigung umsetzen zu können.
Dazu bedarf es im Kompetenzbereich
Ergänzt wird der interkulturelle Lernprozess durch das Einbringen persönlicher innerer Werte mit den Fähigkeiten der Kreativität einer fremden Kultur und Kenntnis bzw. Möglichkeit und Notwendigkeit anderer Sprachen ("transcording"). Innerhalb der Innovationstheorie ist die "Diffusion" - als Vermittlungsprozess von Innovationen in Form von Ideen, Wissen und Technologien - von Interesse. Zuständige Instanzen finden sich im Bereich der Wirtschaft und Medien. Besondere Bedeutung kommt
Interkulturelle Öffnung ist zu beachten, ist sie doch die Konsequenz einer solchen neuen Orientierung. Öffnung wendet sich gegen bewusste oder unbewusste Ausgrenzungen. Ziel ist der Abbau von Zugangsbarrieren und Ausgrenzungsmechanismen in den gesellschaftlichen Schichten und Institutionen. Dazu dient das Konzept des "Diversity Management" mit seinen zwei Wurzeln:
Für eine interkulturelle Pädagogik muss beachtet werden, dass die Unterschiede nicht verwischt werden und das eigene persönliche und spezielle Profil erhalten bleibt. Eine Herausforderung für das Konzept ist allerdings der Machtaspekt, den Diversity Management eher verdeckt.
Für den Bildungsprozess bedeutet Bilingualität einen besonderen Wert. Der Gebrauch von Fremdsprachen hängt von soziolinguistischen Faktoren ab, wobei biographische Einflüsse eine Bevorzugung einer Sprache ergeben. Die Dominanz einer Sprache kann sich durchaus nach Lebensumständen, Einstellungen und Motivationen verändern. Hier spielt die Bildungs- und in der Folge Berufswahl eine Rolle. Jacques LACANs Forderung nach Einordnung (Verständnis) und der Wertschätzung der Andersartigkeit erklärt dieses Konzept, das über die bisherige Praxis von interkultureller Bildung in homogenen Gruppen hinausgeht. Zu vermeiden sind demnach abwertende Haltungen, Etikettierungen ("labeling") und Einstellungen mit eigenen Aspekten ("resistance"). Im Lebensalltag der Migrationssituation, also um einen äußeren biographischen Wendepunkt bei einer formalen Veränderung und um einen inneren Wendepunkt im Sinne einer Autonomie, geht es um existentielle Fragen einer Person, ihr Milieu und um den Bruch in der Biographie (biographische Diskontinuität). Interkulturelle Pädagogik berücksichtigt das Vorwissen und Kenntnisse aus der Kultur in Verbindung mit Offenheit, Flexibilität, Interesse und kritischer Prüfung der eigenen Bemühungen. Im Diskurs tauschen sich Lernende und Lehrende aus, der in jedem Lern- und Lehrprozess benötigt wird. Michel FOUCAULTs Begriff, definiert als Verständnis in der Sprache von Wirklichkeit, weist auf die Bedeutung der Realität hin. Was darf, was soll, von wem, wie im täglichen Diskurs des Alltags gesagt/nicht gesagt werden? Damit ist auch das Konzept von "power/knowledge" angesprochen. Wie geht man mit Personen mit niedrigem Wissensstand um? Für die interkulturelle Pädagogik hat dieses Konzept eine Bedeutung, geht es doch um eine Verbindung von Machtverhältnissen und Informationssuche. Wissensproduktion geht in eine bestimmte Richtung und betrifft Menschengruppen, Institutionen und Staaten. Es geht aber auch um Werteproduktion. Damit ist der Teilbereich Politische Bildung angesprochen. Zu beachten ist jedenfalls, dass die Kenntnis und der Stellenwert eigener Kultur Voraussetzung ist, interkulturell verantwortungsvoll zu handeln. Nur wer die Ideen, Folgerungen für sich und seinen Kulturkreis kennt, ist in der Lage, interkulturell sich einbringen zu können.
6.4 Soziokulturelle Identitätsbildung von MinderheitsgruppenDer folgenden Beitrag beruht auf dem Arbeitspapier "Aspekte soziokultureller Identitätsbildung von Minderheitsgruppen - Monique Eckmann/ Genf" 6. Universitätslehrgang Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg (2012) Die Verfasserin vertritt die These, dass Mehrheits- und Minderheitsidentitäten in einem dialektischen Verhältnis zueinander stehen und nicht nur ein Diskurs über Kultur, Rechte und Identität der Minderheiten, vielmehr auch über die Mehrheit notwendig ist. Als Vorschlag und Perspektive könnte der Aspekt der Interkulturalisierung eingebracht werden. Im Punkt "Identität ist Begegnung und Vergleich" (S. 1) wird die These der sozialen Identität erläutert, welche durch die Zugehörigkeiten zu verschiedenen Gruppen entsteht und dadurch Beeinflussungen unterliegt (Wahrnehmungen, Bewertungen, Haltungen der Individuen). In diesen Prozessen strebt jedes Individuum eine positive Bewertung in seinen Kategorien an, welche aber wiederum von der positiven Bewertung der Gruppe abhängig ist. Kommt es zu einer Negativbewertung, wird als Lösungsansatz das Verlassen dieser Kategorie angestrebt bzw. eine Änderung der sozialen Interpretation und/oder eine Verbesserung der objektiven Situation. Somit handelt es sich um eine individuelle soziale Identität und nicht um eine kollektive. Die Kultur einer Gruppe hat eine Spezifität, welche erst durch durch die Begegnung und den Vergleich sowie den daraus resultierende Abgrenzungen von anderen entsteht. Differenzen nach innen und außen kommen zur Geltung. "Identität als Ausdruck von Dominanzbeziehungen" (S. 1) spielen sich nach Monique ECKMANN in den Beziehungen der Gruppen untereinander im Kontext von Ungleichheit und Macht ab. Dieser Kontext prägt die Minderheits- und Mehrheitsidentitäten. Wenn Monique ECKMANN von Minderheits- und Mehrheitsidentitäten spricht, geht es nicht um numerische Verhältnisse, sondern um dominante bzw. dominierende Positionen unter sozialen, kulturellen, ökonomischen und politischen Aspekten. Sie bezieht sich auf auf die Definition von Colette GUILLAUMIN (1992), in der Minderheiten als Gruppe in der Gesellschaft in einer Situation von minderer Macht sich befinden. Nachteile sind nicht nur im materiellen Bereich vorhanden, vielmehr im Fehlen einer Definitionsmacht, welche der Mehrheit vorbehalten ist. Stellt man die Verknüpfung der Machtquelle her, bildet man die Situation von Dominanz, welche durch Privilegien bzw. Benachteiligungen gekennzeichnet ist. Solche Positionen sind entweder absolut, vereinfachend oder polarisierend. Sie sind entweder diskriminierend oder internalisierend und lassen auf beiden Seiten einen unterschiedlichen Identitätsprozess entstehen. Für die Mehrheitsidentität entsteht eine Norm mit Selbstverständlichkeiten,, für die Minderheitsidentität ein Bewusstsein von Differenz, welche mit Abweichungen und Unterschieden gekennzeichnet ist. Die "Selbstdefinition und abgestrittene Identität auf Seiten der Mehrheit" (S. 2) sind der Mehrheit immer weniger bewusst. Das Nichtwahrnehmen einer Kultur und Identität wird zur Selbstverständlichkeit. Sie wird als universelle Norm angesehen. Man sieht nur die "Farbe" des Anderen, etwa das Kopftuch, die Religion, Hautfarbe oder Kleidung. Aufmerksamkeit entsteht erst, wenn die Minderheit die Mehrheit darauf hinweist. In der Regel geschieht dies anklagend, wodurch noch mehr Ablehnung bzw. Unbehagen erzeugt wird. Ein moralische Dilemma kommt bei der Auseinandersetzung mit der eigenen Identität zur Geltung. Soll es zu einem Prozess einer Bildung einer neuen Autonomie kommen, bedarf es nach Janet HELMS (1990) der Auseinandersetzung mit der eigenen Identität. Wenn Monique ECKMANN vom eigentlichen Dilemma spricht, nimmt sie an, dass die Minderheit einer individuellen Selbstentwertung und der Diskriminierung als Gruppenmitglied bis hin einer Selbstverleugnung unterliegt (vgl. ROMMELSPACHER 1995). Um den Prozess einer positiven sozialen Identität zu erlangen, benötigt man die Gemeinschaft als solche, welche den Prozess individuelle und kollektiv unterstützt. Da die Minderheiten keinen Platz in der Gesellschaft erlangen, werden sie zu politischen Kategorien, um auf diesem Weg eine positive Identität zu erlangen. Die Minderheiten werden in allen Bereichen von außen definiert. Wenn Selbstethnisierung externe und negative Definitionen übernimmt, ist dies ein legitimes Mittel zur Anerkennung. Zugewiesene Identitäten und damit Minderheitenpositionen werden stark internalisiert. Dies kann zu einer Opferposition führen (auch als Verteidigungsstrategie) und/oder zur Verinnerlichung der Vorurteile in Form von Selbsthass. Monique ECKMANN beschreibt den Konflikt zwischen einheimischen Identitäten und Migrantinnen und Migranten als "Diaspora" (S. 3). Als Beispiel nimmt sie die zweite und dritte Generation, bei der man nicht mehr von "Migranten" sprechen kann, der Prozess der Identitätsbildung noch vorhanden ist, aber in einer Diasporasituation. Diese Gruppe hat dort ihre Wurzeln, wo sie leben, allerdings mit verschiedenen Heimaten, ohne eine Rückkehr mit Nostalgievorstellungen. Stuart HALL (1994, 41) spricht von notwendiger Heterogenität, die durch Hybridbildung lebendig ist, etwa bei Kurden, Roma, Juden oder Armenier. aber auch zunehmend bei Spaniern, Türken oder Kosovo-Albanern. "Identität als Positionieren in Machtverhältnissen" ist entscheidend dadurch gekennzeichnet, welche Position der/die einzelne in den gesamtgesellschaftlichen Machtverhältnissen einnimmt. Für Monique ECKMANN bedeutet dies, dass nicht die Minderheitspositionen, vielmehr die Mehrheitspositionen thematisiert werden. Stuart HALL (1994) fordert, dass das Positionieren zu einem bewussten Akt werden soll, wobei Herkunft, Zugehörigkeit, sprachliche und kulturelle Codes als zentrale Rolle deklariert werden und diese als unverzichtbare Ressourcen anerkannt werden. Dies gehört als Mussbedingung in die Debatte um die Rechte von Minderheiten. Monique ECKMANN nimmt die Frage der Interkulturalisierung als Alternative zu kollektiven Minderheitsrechten auf und definiert sie als problematisch. Es geht um eine Umverteilung von Machtverhältnissen, Schutz vor Diskriminierung, vor allem bei "vulnerable groups". Sie stehen einem Staat gegenüber, der Kultur, Religion und Identität verbindet und ihre Definition davon ausschließt. Erst diese Aufhebungen ergeben eine pluralen Staat. Es gilt also wegen/trotz kultureller Differenz Gleichberechtigung, Gleichstellung und soziale Gerechtigkeit zu sichern. Als Alternative bietet sich hier eine Institutionalisierung der Diversität als Möglichkeit an. Für die Mehrheit bedeutet dies, ihre Selbstverständlichkeit von Identität und Normen in Frage zu stellen. Für Monique ECKMANN bedeutet Pluralität die Anerkennung und Gleichberechtigung aller Religionen (S. 4). Sie bezieht sich dabei auf den kulturellen Konflikt, der bereits im 19. Jahrhundert ein Thema war und weiterhin besteht, gerade wo Migration der nicht-christlichen Zuwanderer im Wachsen begriffen ist. Hier steht die Definitionsmacht bei den Christen. In dieser Mehrheitsposition gilt der Islam aufgrund seiner demographischen und sozialen Realität als Gegner. Diese Ungleichheiten spiegeln sich vor allem in der Bildung wider. Für Monique ECKMANN sind diese Unterschiede nicht nur in der religiösen Praxis vorhanden, vielmehr spricht sie in diesem Zusammenhang von Religion als Kultur. Denn, so die Argumentation, ein nichtreligiöser Muslim wird kein Christ werden, weshalb die Anerkennung dieser bei uns mehrheitlich vorhandenen Personengruppe als dringend notwendig erachtet wird. Monique ECKMANN fordert neue Denkschemata in Bezug auf die Aufnahme- und Herkunftsgesellschaften in jener Form, dass ein Umdenken der Kategorien "Nationalität" und "Bürger" notwendig ist (S. 5). Nur diese Trennung - im frankphonen Bereich Nationalität vs. Citoyenneté - bietet eine Perspektive mit symbolischer Zugehörigkeit und Recht zur Teilnahme an der Gesellschaft ("Partizipation"/Lebensmittelpunkt-Beruf). Besonderen Schutz gilt jenen Minderheiten, die keinen Herkunftsstaat besitzen. Gefahr sieht Monique ECKMANN in der intra-kulturellen Unterdrückung. Diese tritt dann in Erscheinung, wenn Kultur als Missbrauch zur Legitimierung für Dominanz missbraucht wird. Eine interne Dominanz richtet sich zumeist gegen Frauen, Kinder und sozial Schwache und verschleiert zumeist die globale Situation und benennt nicht die externe Dominanz als globale Situation. Zu verweisen ist jedenfalls auf die Menschenrechte und Gleichheit aller Individuen. Das Thema Frauen ist in den Mehrheitsgesellschaften ein latent vorhandener Problembereich, der durch die Konflikte der Minderheitsgesellschaften im Bereich der kulturellen Unterdrückung zurückgeführt wird. Offenkundig ist hier der Missbrauch zur Legitimierung von Dominanz. Weil kulturelle Minderheiten gegen das Vorankommen von Frauenrechten und Kinder wirken, dürfen sie hier nicht unterstützt werden (S. 6). Vielmehr sollen die Interessen von Frauen und Kindern sowie sozial Schwachen/Randgruppen kultureller Minderheiten aktiv geschützt werden. Theoretischen Rechten muss eine effektive Anwendung folgen, die gesichert wird. So können Einschränkungen und Diskriminierungen aufgehoben werden. Quotenregelungen werden nicht für sinnvoll gehalten. Monique ECKMANN begründet dies damit, dass solche Regelungen in der Anwendung bei allen Minderheiten nicht möglich bzw. sinnvoll sind. Vielmehr bedarf es einer eindeutigen sozialen Anerkennung als Garant im Sinne von Mitspracherecht und Sichtbarkeit, wobei die Selbstdefinition von kultureller Minderheit garantiert sein muss. Keinesfalls wird eine offizielle Liste von Minderheiten befürwortet. Ausnahmesituationen im Sinne von "vulnerable groups" für einen besonderen Schutz sollte es geben, etwa in der Schweiz für "Fahrende" (S. 7). Gerade im Hinblick auf institutionelle Positionen der Minderheiten als Voraussetzung etwa für höhere Bildung soll der Zugang von Minderheiten verstärkt werden. Dadurch würden sie sichtbarer werden und könnten sich selbst artikulieren. Minderheitenexperten könnten zugezogen werden, Probleme und Defizite könnten konkret angegangen werden. Voraussetzungen wären entsprechende Strukturen, und eine Selbstorganisation von Minderheiten. Zur Interkulturalisierung schlägt Monikque ECKMANN Ausgleichsrechte als juristische Anerkennung von kulturellen Minderheiten vor. Antidiskriminierung und vermehrte Aufmerksamkeit für "vulnerable groups" wären ihre Zielvorstellung. Zudem wäre die Anerkennung kultureller Diversität notwendig, im Sinne einer Vielfalt einer modernen Gesellschaft und ihrer Institutionen. Erforderlich wären in der Folge soziale Maßnahmen in den Bereichen Personal, Sprache, Inhalte, kulturell-religiösen Kapitals und Geschichte. Diversität ist nicht Sonderfall, vielmehr Grundsatz. Dieser Diskurs betrifft nicht nur die Rechte kultureller Minderheiten, ebenso auch das Selbstverständnis der Mehrheitskultur. Der Prozess der Sensibilisierung benötigt einen gezielten Umgang mit Mehrheits- und Minderheitsidentitäten. Aktive Auseinandersetzung und Infragestellung von Selbstverständlichkeiten gehören zu diesem Prozess, damit die jeweilige Identität und Dominanzbeziehung kritisch hinterfragt werden kann - in einem Prozess von empowerment. Damit verlagert sich der Diskurs bzw. Prozess um Kultur, Identität und Rechten von Minderheiten zur Diskussion um Mehr- und Minderheit mit kritischem Hinterfragen beider Positionen.
Fachliteratur/ Auswahl Eckmann M. (2006): Aspekte soziokultureller Identitätsbildung von Minderheitsgruppen, Genf > http://www.humanrights.ch/cms/upload/pdf/000623_eckmann.pdf#search='Moniqueeckmannintermigra (16.1.2013) Guillaumin C. (1992): Sexe, race et pratique du pouvoir, Paris Hall St. (1994): Rassismus und kulturelle Identität. Ausgewählte Schriften, Hamburg Hamburger F. (Hrsg.) (1998): Faszination und Realität des Interkulturellen. Schriftenreihe des Pädagogischen Instituts der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Helms J. (1990): Black and White Racial Identity Theory, research and practice, London Rommelspacher B. (1995): Dominanzkultur. Texte zur Fremdheit und Macht, Berlin
6.5 Interkulturelle Kompetenzen in einer Migrationsgesellschaft"Die Notwendigkeit interkultureller Kompetenz betrifft die Wirtschaft und Politik wie auch die soziale und gesundheitliche Versorgung in Migrationsgesellschaften ebenso wie den internationalen Austausch in einer globalisierten Wirtschaft oder Wissenschaft. Doch wird interkulturelle Kompetenz sehr unterschiedlich bis hoch kontrovers diskutiert. So fällt eine 'Multidisziplinarität' der Debatte auf, an der sich Sozialpsychologen, Soziologen, Anthropologen, Kulturwissenschaftler, Ethnologen, Pädagogen, Philosophen, Linguisten und Wirtschaftswissenschaftler in der Theorie und darüber hinaus Sozialarbeiter, Lehrer, Psychiater und Therapeuten, Mediatoren, Kommunikationstrainer und Personalberater, um nur eine Auswahl zu nennen, beteiligen" (TREICHEL-MAYER 2011, 291-292). Es versteht sich von selbst, dass es bei der Fülle von unterschiedlichen Ansätzen kein einheitliches Konzept gibt. Im deutschsprachigen Raum bekam Interkulturelle Kompetenz Ende der achtziger Jahre mit der Globalisierung der Wirtschaft einen Stellenwert. Man beschäftigte sich mit dem Verhalten, mit Motivation, Wertesystemen und kognitiven Aspekten wie Fremdsprachenkompetenz und soziale Kompetenz sowie Kommunikationsfähigkeit. Interkulturelle Kompetenz findet zwischen nationalen Kulturmustern bzw. Kommunikationsregeln und einer um kulturelle Aspekte erweiterten Sozialkompetenz statt. Unterschiedliche Begrifflichkeiten wie "kulturell", "transkulturell" und "interkulturell" mit Differenzierungen werden verwendet. Von Interesse für den Bildungsaspekt ist Diversität und Pluralität als Grundlage in der Handlungspraxis. Damit wird auch eine erhöhte Normenflexibilität bei allen Individuen und Gruppierungen erforderlich. Mehrfachzugehörigkeiten ergeben eine heterogene, veränderbare und hybride Kultur. Im Vordergrund steht die Individualität von Ausprägungen von Kultur und Binnendifferenzen innerhalb von Kulturen (vgl. TREICHEL-MAYER 2011, 295; SALZBRUNN 2014). In der Folge ergeben sich Kulturkonzepte mit Kontexten und dynamischen Entwicklungen. Die angesprochenen Konzepte interkultureller Kompetenzen erklären sich aus den Zielen und Anwendungsgebieten.
6.6 Interkulturelle SensibilitätInterkulturelle Sensibilität ist der Grad der Empfindlichkeit gegenüber Reizen, die in der eigenen Kultur oder im Umgang im Umgang mit Mitgliedern der eigenen Kultur entweder keine Reize oder anders verstanden bzw. bewertet werden. Im Rahmen der Interkulturellen Kompetenz gilt sie als Voraussetzung für effektive interkulturelle Interaktion (vgl. TREICHEL-MAYER 2011, 298). Hier wird die Fähigkeit, kritisch kulturelle Unterschiede zu verstehen, angesprochen. Milton BENNETT (1993) verzeichnet drei ethnozentrische - Leugnung, Abwehr und Minimierung kultureller Unterschiede - und drei ethnorelative Phasen - Akzeptanz, Adaption und Integration (vgl. TREICHEL-MAYER 2011, 299-300). Zwar führte die Überprüfung des Modells zu einer Revision mit einer Zusammenführung von Phasen, letztlich zeigt das Modell, dass interkulturelles Lernen tiefgreifende Veränderungen in Selbstverständlichkeiten und bei sozialen Identitäten und im Interpretations- und Werteschema ergibt. Als Nachteil zeigt sich die Komplexität des Prozesses. Offen bleiben andere Aspekte wie die Verbindungen von Persönlichkeitseigenschaften, Motiven und Selbstbildern. Kritisch soll vermerkt werden, dass diese Kompetenz als Voraussetzung einer effektiven interkulturellen Interaktion aufzufassen ist, nicht aber als Endziel interkultureller Entwicklung (vgl. TREICHEL-MAYER 2011, 301-302).
6.7 Entwicklungsmodelle interkultureller FähigkeitenInterkulturelle Fähigkeiten im Kontext mit Interkultureller Kompetenz gilt als Schlüsselqualifikation für die Interaktion mit Personen aus anderen Kulturen. Eine verständnisvolle und wertschätzende Kommunikation und Kooperation ist dann möglich, wenn Persönlichkeitsmerkmale und situative Kontextbedingungen miteinander verbunden sind. Als Interkulturelle Kompetenz gilt in diesem Zusammenhang die Kenntnis und das Verständnis der eigenen und fremden Kultur, die Anwendung entsprechender Handlungs- und Interaktionsweisen, synergetischer Formen interkulturellen Handelns und alternativer Attributionsmuster und Erklärungsmuster (vgl. TREICHEL-MAYER 2011, 311). Die in der Folge diskutierten Entwicklungsmodelle ergeben sich aus Lern- und Entwicklungsprozessen, die aus Konzepten zur Bestimmung interkultureller Kompetenz entstehen.
Zunehmende Bedeutung erhalten vorberufliche Maßnahmen für eine effektive Zusammenarbeit in der Arbeits- und Berufswelt wie Möglichkeiten von Aus-, Fort- und Weiterbildung, Anerkennungsverfahren, Bildung- und Berufsberatung bzw. Informationszentren sowie Arbeitsmarktkenntnissen. Die Kenntnis von Unternehmens-, Behörden- und Organisationskulturen sind vermehrt zu berücksichtigen. Weil immer mehr und öfter für kurze Zeit in mehreren Kulturen gearbeitet wird, sind solche Kenntnisse wesentlich. Plurikulturelle Trainerteams werden künftig zur Regel werden. Zu beachten sind zunehmend auch Kenntnisse aus bereits erfolgten Auslandserfahrungen im Rahmen von EU-Programmen und Begegnungen mit ausländischen Partnern im Inland.
Literaturverzeichnis
Angeführt sind jene Titel, die für den Beitrag verwendet und/ oder direkt zitiert werden . Bolten J. (2007): Interkulturelle Kompetenz. Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Erfurt Bühl A. (2016): Rassismus. Anatomie eines Machtverhältnisses, Wiesbaden Claussen D. (1994): Was heißt Rassismus?, Darmstadt Deardorff D.K. (2009): The SAGE Handbook of Intercultural Competence, Los Angeles-London-New Dehli-Singapore-Washington DC Delacmpagne Chr. (2005): Die Geschichte des Rassismus, Düsseldorf Dichatschek G. (2017): Didaktik der Politischen Bildung. Theorie, Praxis und Handlungsfelder der Fachdidaktik der Politischen Bildung, Saarbrücken Dichatschek G. (2022a): Grundwissen Bildungsmanagement. Theorie und Praxis im Bildungssystem, Saarbrücken Dichatschek G. (2022b): Grundwissen Politische Bildung. Theorie, Praxis und Handlungsfelder in der Erwachsenenpädagogik, Saarbrücken Dichatschek G. (2022c): Antisemitismus - Prävention. Theorie, Praxis und Handlungsfelder im Kontext Politischer Bildung, Saarbrücken Dichatschek G. (2023): Grundwissen Interkulturelle Kompetenz. Theorie und Handlungsfelder im Kontext politischer und kulturell-religiöser Kompetenz, Saarbrücken Europäische Union (EU) (2000): Richtlinie 2000/43/EG DES RATES vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft L 180/22, DE 29.7.2000 Fischer V. - Springer M. (Hrsg.) (2011): Handbuch Migration und Familie, Schwalbach/ Ts. Fredrickson G. M. (2004): Rassismus: Ein historischer Abriss, Hamburg Geulen Chr. (2008): Geschichte des Rassismus, Bonn Göbel K.- Buchwald P.(2017): Interkulturalität und Schule. Migration-Heterogenität-Bildung, Standard Wissen Lehramt, Utb 4642, Paderborn Gomolla M.(2009): Interventionen gegen Rassismus und institutionelle Diskriminierung als Aufgabe pädagogischer Organisationen, in: Scharathow W.-Leiprecht R. (Hrsg.) Rassismuskritik, Bd. 2: Rassismuskritische Bildungsarbeit, Schwalbach/ Ts., 25-44 Herbrand F. (2002): Fit für fremde Kulturen. Interkulturelles Training für Führungskräfte, Bern-Stuttgart-Wien Hund W. D. (2007): Rassismus, Bielefeld Kendi J.X. (2017): Gebrandmarkt. Die andere Geschichte des Rassismus in Amerika, München Leiprecht R.- Steinbach A. (Hrsg.) (2015): Schule in der Migrationsgesellschaft. Ein Handbuch, Bd. 1 und 2, Schwalbach/ Ts. Maurer H.- Garzeller B. (2005): Handbuch Kompetenzen, Bern Mecheril P. (2004): Einführung in die Migrationspädagogik, Weinheim - Basel Mecheril P.-Teo T. (Hrsg.) (1997): Psychologie und Rassismus, Reinbek b. Hamburg Memmi A. (1992): Rassismus, Frankfurt/M. Miles J. (1991): Rassismus: Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs, Hamburg Nationaler Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (Hrsg.) (2023): Rassismusforschung I. Theoretische und interdisziplinäre Perspektiven, Bielefeld Negt O. (1997): Gesellschaftliche Schlüsselqualifikationen. Sechs Kompetenzen zur Gesellschaftsveränderung, in: Widerspruch. Beiträge zur sozialistischen Politik, H. 33/ 1997, 89-102 Neumann U. - Schneider J. (Hrsg.) (2011): Schule mit Migrationshintergrund, Münster - New York - München - Berlin Nicklas H.- Müller B.- Kordes H. (Hrsg.) (2006): Interkulturell denken und handeln. Theoretische Grundlagen und gesellschaftliche Praxis, Frankfurt/ M. - New York Pangritz A. (2021): Die Schattenseite des Christentums. Theologie und Antisemitismus, Stuttgart Poliakov L.-Delacampagne Chr.-Girad P. (1992): Rassismus. Über Fremdenfeindlichkeit und Rassenwahn, Hamburg-Zürich Pries L. (2001): Internationale Migration, Bielefeld Terkessidis M. (1998): Psychologie des Rassismus, Opladen Thomas A. (2016): Interkulturelle Psychologie. Verstehen und Handeln in internationalen Kontexten, Göttingen Treichel D./ Mayer Cl.-H. (Hrsg.) (2011): Lehrbuch Kultur. Lehr- und Lernmaterialien zur Vermittlung kultureller Kompetenzen, Münster-New York - München - Berlin Wernsing S.- Geulen Chr.- Vogel Kl. (Hrsg.) (2021): Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Bd. 10613, Bonn Wierlacher A. (2003): Das tragfähige Zwischen, in: Erwägen, Wissen, Ethik, H. 14 (1) 2003, 215 - 217 Zerger J. (1997): Was ist Rassismus? Eine Einführung, Göttingen
Das Projekt wird laufend aktualisiert
Das Projekt wurde bei Zara 2024 eingereicht. ZARA Verein für Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit, Wien
Zum AutorAPS-Lehramt (1970, 1975,1976), Mitglied der Lehramtsprüfungskommission für die APS beim Landesschulrat für Tirol (1993- 2002) Absolvent des Studiums Erziehungswissenschaft/ Universität Innsbruck/ Doktorat (1985), des 1. Lehrganges Ökumene/ Kardinal König-Akademie/ Wien/ Zertifizierung (2006), des 10. Universitätslehrganges Politische Bildung/ Universität Salzburg - Klagenfurt/ Master (2008), der Weiterbildungsakademie Österreich/Wien/ Diplome (2010), des 6. Universitätslehrganges Interkulturelle Kompetenz/ Universität Salzburg/ Diplom (2012), des 4. Internen Lehrganges Hochschuldidaktik/ Universität Salzburg/ Zertifizierung (2016), des Fernstudiums Erwachsenenbildung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium im Comenius-Institut Münster/Zertifizierung (2018), des Fernstudiums Nachhaltige Entwicklung/ Evangelische Arbeitsstelle Fernstudium im Comenius-Institut Münster/Zertifizierung (2020) Lehrbeauftragter am Institut für Erziehungs- bzw. Bildungswissenschaft/ Universität Wien/ Vorberufliche Bildung (1990-2011), am Fachbereich Geschichte/ Lehramt Geschichte-Sozialkunde-Politische Bildung/ Didaktik der Politischen Bildung (2016, 2017) Mitglied der Bildungskommission der Evangelischen Kirche in Österreich (2000-2011), stv. Leiter des Evangelischen Bildungswerks in Tirol (2004-2009, 2017-2019), Kursleiter an der VHS Salzburg in Zell/See, Saalfelden und Stadt Salzburg / "Freude an Bildung" (2012-2019), VHS Tirol (2024)
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